Eine Lösung für Afghanistan?

Eine bemerkenswerte Erzählung darüber ob und wie das westliche Engagement in Afghanistan doch noch erfolgreich sein kann, transportiert die Washington Post. „You can´t surge trust“ könnte die Überschrift des Artikels über die Arbeit von Carter Malkasian lauten – „Vertrauen kann nicht plötzlich wachsen“ – im Unterschied zur Zahl der Soldaten. Malkasian hat, schreibt der Autor des Artikels Rajiv Chandrasekaran in den vergangenen Jahren als Berater der Marines in der Provinz Gamser gearbeitet. Seine Funktion dürfte in etwa der eines interkulturellen Einsatzberaters bei der Bundeswehr entsprechen. Selbst wenn der Bericht eine gehörige Portion Storytelling enthält, zeigt er für mich, dass es gangbare Wege für Afghanistan zugeben scheint. Das Problem: Diese liegen deutlich außerhalb des Mainstreams, vor allem außerhalb der meisten Protagonisten in den beteiligten deutschen Ministerien.

Ich habe lange überlegt, ob ich – vor allem, weil mir die Erfahrung eines Einsatzes in Afghanistan fehlt – überhaupt etwas dazu schreiben soll. Weil mir aber das Muster, dass im oben genannten Text aus meinen Einsätzen so bekannt ist, und es außerdem viele Parallelen, beispielsweise zu den Erfahrungen eine Reinhard Erös zu geben scheint, hier drei Thesen, wie eine Lösung bzw. erste Schritte dazu auch in Afghanistan aussehen könnten.

– Die afghanische Gesellschaft ist – wie jede Gesellschaft – ein komplexes Netzwerk aus Beziehungen mit einer eigenständigen kulturellen Prägung. Wer nicht Teil dieses Netzwerkes werden kann, darf oder will, wird nicht zur Lösung der darin organisierten Konflikte beitragen können. Daraus folgt, dass die Politik gut daran täte, Menschen zu identifizieren, die bereit sind, sich auf diese Rolle einzulassen und ihnen die für ihre Arbeit nötigen Mittel zur Verfügung zu stellen.

– Verhandlungsmacht hat nur der, der Macht hat. Dazu gehört insbsondere auch, die Soldatinnen und Soldaten so auszurüsten und zu mandatieren, dass sie ihre Aufgaben erfüllen können. Finanziell, materiell und personell. Dabei wäre eine deutlichere Unterscheidung zwischen Kampftruppe (kürzere Stehzeiten, regelmäßiger Entsatz) und Führungs- und Vertrauenspersonal (warum nicht auf 2 und mehr Jahre angelegt?) nötig. Frühzeitige, von der deutschen Innenpolitik motivierte, Abzugsankündigungen untergraben diese Verhandlungsmacht systematisch.

– An der Basis beginnen. Sowohl in Afghanistan als auch in Deutschland müssen wir an der Basis beginnen. Das Versagen der deutschen Afgahnistan-Politik wird unter anderem daran deutlich, dass es immer noch nicht ausreichend Soldaten auch und gerade in Führungspositionen gibt, die die Sprachen der Einsatzländer sprechen, was unter anderem am fehlenden Zugang zu den o.g. Netzwerken deutlich wird. Basisarbeit ist auch in Afghanistan gefordert. Nur Kinder und Jugendliche, die eine Chance haben, zu erfahren, dass die fremden Soldaten vertrauenswürdig und in der Lage sind, ihnen und ihren Familien Schutz zu gewähren, werden sich ihrerseits darauf einlassen, sie Bezugspersonen zu machen.

Warum Deutschland das tun sollte? War es Kennedy der sagte: „We chose the moon“? Wie dem auch sein: Deutschland hat sich – im Verbund mit der internationalen Gemeinschaft – für Afghanistan entschieden. Und obwohl es noch viele andere Länder gibt, die unserer Unterstützung bedürften, in ihnen haben wir nicht nur wenig Zugang zu den gesellschaftlichen Netzwerken wie in Afghanistan, sondern keinen.

Was dieses Engagement trotz aller Rückschläge bewirken kann, zeigt einmal mehr der aktuelle Bericht von Winfried Nachtwei, der im April auf Einladung von Thomas Kossendeyzu einem Kurzbesuch in Mazar-e Sharif und Kunduz war.

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