Warum dienen? – Und was das mit Behördenkommunikation zu tun hat

„Wir brauchen eine Debatte über die Rolle der Bundeswehr in der Gesellschaft.“ So überschreibt der Deutschlandfunk das sehr lesenswerte Interview der Woche mit Verteidigungsminister Thomas de Maizière vom 17. April 2011. Mit Blick auf die Rolle dieser Gesellschaft sagt er unter anderem: „Wir können noch so gute Werbebroschüren schreiben, wir können noch so gut ethisch begründen, warum man Soldat werden soll, wir können noch so gut bezahlen, wenn Freunde und Eltern und Arbeitgeber sagen, Junge oder Mädchen, geh da nicht hin, dann wird es keinen Erfolg haben. Wenn wir noch so gut Staatsbürger in Uniform sein wollen und uns der Gesellschaft öffnen und die Gesellschaft zeigt uns als Bundeswehr die kalte Schulter, dann wird die Neuausrichtung der Bundeswehr nicht gelingen.“ Und er hat Recht damit. Allerdings ist er dabei auf die Innensicht der ihn umgebenden Blase seines Ministeriums beschränkt. Genau das aber markiert eine der bislang ungelösten strategischen Probleme der Bundeswehr: sie weigert sich systematisch, sich selbst zu beobachten, was wiederum dazu führt, dass sie sich von der Gesellschaft entkoppelt.

Offenbar wird dies exemplarisch an Antworten, die – der Presse- und Informationsstab spricht nicht mit Bloggern – vom Streitkräfteamt InfoService Bürgeranfragen auf meine Fragen zur Nutzung von sozialen Netzwerken im Internet bekomme. „Das BMVg nimmt die von Ihnen angesprochenen und vergleichbare Aktivitäten auf Plattformen der multidirektionalen Meinungsbildungsmedien im Internet mit Interesse zur Kenntnis, sind dies doch nach derzeitiger Bewertung Medien, die als Informationsmedien für eine regierungsamtliche Informationsarbeit nicht optimal geeignet sind.“ Das genau ist das Problem. Informationsarbeit, so wie sie das Ministerium versteht, ist alles, nur nicht geeignet, um eine Debatte anzustoßen. Im Gegenteil: Sie verhindert die Debatte.

Dass Bürgerinnen und Bürger aber genau daran interessiert sind, hat mir – erneut – die Session, die ich gemeinsam mit Thomas Wiegold auf der re:publica veranstalten durfte, gezeigt. Mit sehr klugen und interessierten Fragen hat das Publikum einen, wenn nicht gar den wesentlichen Beitrag geleistet, damit wir mit unserem Vortrag eines der zentralen Ziele erreichen konnten: Wir sind mit mehr Fragen aus der Session gegangen, als wir mit hinein genommen haben. (Einen ausführlicheren Bericht, der auch auf die Fragen der Leser dieses Blogs eingeht, schreibe ich später.)

In diesem Sinne ist es sicherlich nicht unangemessen, wenn ich die Forderung de Maizière umdrehe und sie gleichwertig neben seine stelle: „Wir brauchen eine Debatte über die Rolle der Gesellschaft in der Bundeswehr.“ Eindrücklich macht dies ein Fundstück deutlich, das Thomas Wiegold ausgegraben hat. Ein Brief des Kreiswehrersatzamtes an einen wehrpflichtigen Staatsbürger. Es ist ein Dokument des Scheiterns. Und wer bislang dachte, die von einer Agentur zu verantwortenden Werbemaßnahmen seien schlecht (was sie sind), dem wird nun vor Augen geführt, dass es auch noch schlechter geht. Insofern hat der Minister auch unrecht mit seiner Aussage, die Bundeswehr können noch so gute Werbebroschüren schreiben, denn offenkundig kann sie ja noch nicht einmal das.

Brief des Kreiswehrersatzamtes an einen Wehrpflichtigen

Behördenkommunikation (digital) gestalten

Unbeabsichtigt setzt dieser Brief einen fast schon ironischen Kontrapunkt zu einer anderen Veranstaltung der Bundeswehr. Zum zweiten Mal lädt die Akademie für Information- und Kommunikation der Bundeswehr (AIK) zur Govermedia nach Strausberg ein. Als Leitthema haben die Macher in diesem Jahr das Motto „Behördenkommunikation digital gestalten – Optimierung von Inhalten, Strukturen und Anwendungen“ gewählt, und es wäre nicht nur ein Leichtes, sondern dringend geboten, an vorstehendem Brief zu analysieren, welche Defizite bei der Bundeswehr bei Inhalten, Strukturen und Anwendungen bestehen – und zwar nicht nur digital sondern analog. Das wäre eine mindestens ebenso ergiebige Session, wie auf der re:publica.

Was davon unabhängig bei der für dieses Jahr geplanten Govermedia erfreulich ist: Die Veranstalter haben wesentliche Impulse, die unter anderem ich im Vorfeld (und auch im Nachgang) der Auftaktveranstaltung gegeben haben, aufgegriffen. So gibt es Programmschwerpunkte bei Strategien und Konzepten sowie Technologie und außerdem will man die Nutzer in den Fokus nehmen. Klasse finde ich das Angebot, die vorgeschlagenen Themen in einem Forum zu diskutieren und neue Themen vorzuschlagen, wobei das verwendete Captcha-Tool mich bei der Anmeldung an den Rand des Wahnsinns getrieben hat. Absolut ernüchternd – auch für die Veranstalter – dürfte dagegen sein, dass bislang noch niemand die Möglichkeit, sich einzubringen, wahrgenommen hat. Vor allem, weil die Kernzielgruppe – so war es zumindest im vergangenen Jahr – Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Behörden inklusive der Bundeswehr sind. Haben diese eventuell gar kein Interesse an einer Debatte? Manche Antwort aus dem Ministerium (s.o.) legt diese Vermutung nahe.

23 Gedanken zu „Warum dienen? – Und was das mit Behördenkommunikation zu tun hat

  1. Vielleicht scheitert eine Beteiligung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Behörden auch am nicht vorhandenen Technikbewußtsein?
    Oder an der Desillusionierung, dass von ihren eingereichten Vorschlägen bisher kaum etwas zur Umsetzung gelang?

  2. Im Hinblick auf die Govermedia finde ich es schon bezeichnend, dass bei einer Veranstaltung, die auf bürgernahe Kommunikation ausgerichtet ist, so unglaublich schwer rauszufinden ist, wie man sich (außer im Forum) beteiligen kann, wenn man will, also wie man sich sozusagen ganz „oldschool“ bei der Veranstaltung anmeldet…

    Beste Grüße

    M. Barth

  3. Ich bleibe dabei, die Medienarbeit der Bw hat den Charme von Propaganda und gefällt sich besonders nach Innen als regierungsamtliches barrierefreies Sprachrohr, unkritisch und realitätsfern.

  4. … allerdings immerhin mit dem Unterschied, dass die Proganda da in Nord-Korea ziemlich professionell gemanagt ist … 😉

  5. @Alexander: Das heißt doch, dass es keinen „sense of community“ unter den Kommunikationsmanagern gibt in dem Sinne, dass sich jemand die Mühe machte, diese über einen Verteiler gezielt anzusprechen, oder?

    Da passt es ins Bild, dass ich den Verantwortlichen vor 2 Jahren vorgeschlagen habe, doch mal eine Serie „AIK vor Ort“ aufzusetzen, in deren Rahmen 10 Termine pro Jahr bei unterschiedlichen Dienststellen vorbereitet werden. Nach einem Info-Austausch über militärische und organisatorische würden dort zivile Medienakteure zu aktuellen Themen vortragen (Reservisten einbezogen), und abends gibt’s ’ne Wurst und ein Dienstabachlußbier. Kosten: nahe Null bzw. neutral, weil eda. Antwort: geht nicht, keine Zeit.

  6. @Sascha: Ich habe das vor einiger Zeit schon mal thematisiert. Die Einladungen sind im letzten Jahr auf dem Dienstweg über die zuständigen PIZen der TSKs gelaufen. Ich befürchte, dass die dort wieder hängengeblieben sind …

  7. Hallo und vielen Dank @sascha_stoltenow für den Hinweis auf das Forum.
    Ich werde zusammen mit einer Kollegin den Workshop zu Social Media Monitoring gestalten. Wir haben zwar schon eine Idee was gezeigt werden sollte, wollen aber mal den Weg über eine öffentliche Beteiligung im Vorfeld über das Forum nutzen.
    Ich hoffe wirklich sehr, dass diese Govermedia zu Erkenntnissgewinnen hier und da führen wird!

  8. @Koglinho: Warum allerdings mein Kommentar im Forum von vor zwei Tagen immer noch nicht freigeschaltet ist, lässt mich ratlos zurück. Will man evtl. doch keine Beteiligung, oder scheitert man an der Technik?

  9. @TeamGovermedia: Danke für den Hinweis und eine kleine, bitte nicht falsch zu verstehende Anmerkung: knapp 6 Wochen Vorlauf sind für nicht-staatliche Organisationen eher sportlich. Sprich: So eine Einladung sollte im Idealfall im März erfolgen.

  10. @kaktus
    „So, sollte die Bundeswehr Nachwuchswerbung aussehen. Einfach eine scheibe bei den Engländern abschneiden.“

    Wenn man mit solcher Werbung Nachwuchs anspricht, besteht das Risiko, in Folge dessen Menschen mit soldatischer Grundeinstellung für den Dienst in der Bundeswehr zu gewinnen. Dass dies politisch mehr als heikel wäre, muss ich Ihnen ja wohl nicht erklären. Es ist doch offensichtlich, dass die Bundeswehr gar keine Soldaten will, sondern Versorgungsempfänger, die nicht wissen, was sie sonst mit ihrer Zeit anfangen könnten. Werbung wie die von Ihnen erwähnte fällt daher aus.

    Im übrigen wäre es unehrlich, gegenüber potentiellen Bewerbern so zu tun, als sei die Bundeswehr eine ernstzunehmende Armee. Die mit solcher Werbung angesprochenen Personen wären rasch frustriert.

  11. Ich muss bei dem – zugegeben sehr gelungenen – Video der Briten an die Aussagen vom Ströbele (Bündnis90/Die Grünen) zum soldatischen Verständnis denken.
    Der Soldat als aufopfernder Kämpfer, der im Kampf seine höchste Erfüllung sieht, den will er nie wieder haben.
    Ach und wo er gleich dabei war, die „i.G.“ Abzeichen sollte man auch gleich streichen, da diese nicht mehr zeitgemäß wären. 😛

  12. An Delta und jugendoffizier. Teilweise stimmt es natürlich schon, wobei die Royal Marines auch nicht mit der „Durchschnittsbundeswehr“ vergleichbar sind. Und die physischen und psychischen Maßstäbe nochmal eine ganze Ecke über denen der Gebirgsjäger oder Fallis liegen. Für Leute die sich dadurch angesprochen fühlen, wäre das noch die beste Alternative. Aber wenn solche Menschen aufgrund von Bedarf einer TSK; Verwendung zugeführt werden in der es ähnlich einem zivilen Beruf zugeht werden beide Seiten nicht glücklich. Man braucht in einer Armee ja auch viele Leute die nicht die über Soldaten sind, denke aber da wird sich in Zukunft noch vieles ändern. Gerade wenn die Ämter und Ministerien eines Tages von Personen geprägt sind die mehrere Male im Auslandseinsatz waren .

    Was meiner Meinung nach auch noch sehr gut wäre, eine Schule nach dem Vorbild von Sandhurst, bzw. die OAs erst nach dem Studium holen. Aber nur meine bescheidene Meinung.

  13. @TeamGovermedia: Schön, dass ihr hier mitlest! Jetzt frage ich mich natürlich immernoch, wer genau im Einladungsverteiler steht, und warum der Hinweis „Anmeldung möglich ab ###“ nicht online auf der Website erscheint?

  14. @kaktus
    „99,99% need not apply“

    Da wäre in Deutschland der Wehrbeauftragte aber schwer betroffen, wenn man Soldaten so etwas zumuten würde. Und überhaupt wäre es ja hochgradig heikel, einen Soldatentypus zu verherrlichen, der am Ende noch jemandem weh tun oder sich vielleicht sogar im Gefecht durchsetzen könnte.

Schreibe einen Kommentar zu Alexander Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.