Die Rückkehr des Landserromans

Ein bisschen enttäuscht bin ich ja schon. Hätte der Verlag von „Endstation Kabul“ seine Logistik auch nur halb so forciert wie das Marketing, hätte ich mir das Buch heute morgen am Frankfurter Hauptbahnhof kaufen können. Dennoch: sowohl die Leseprobe des Verlags als auch die im Stern veröffentlichten Passagen erlauben bereits ein Urteil.

Statt einer Enthüllung, die vor allem die voyeuristischen Gelüste befriedigt, liefern Wohlgethan und Schulze vor allem einen dramaturgisch aufgepeppten und gerade deshalb unverfälschten Einblick in den soldatischen „Arbeitsalltag.“ Es sind nämlich genau die Geschichten, die sich Soldaten erzählen, weil sie so viel näher an der empfundenen Wahrheit sind als die toten Texte aus den offiziellen Quellen.

Das vermeintliche „Problem“: Die Erlebnisse von Wohlgethan und Schulze eignen sich nicht zur Skandalisierung, sondern verlangen, dass man sich ernsthaft mit ihnen beschäftigt. Wenn also Spiegel Online über die Endstation heiße Luft klagt, klingt das eher nach Ärger über entgangene Klickraten als nach inhaltlicher Auseinandersetzung.

Genau die fordern die beiden Autoren zu Recht ein, und liefern dafür eine wertvolle Grundlage aus der Sicht der kämpfenden Truppe. Deren Solidarität dürfte ihnen sicher sein, wie einige der Kommentare im Blog des Kollegen Wiegold vermuten lassen. Flapsig gesagt, können wir also die Rückkehr des Landserromans in die deutsche Literatur feiern. Jetzt muss es der Verlag nur noch die Logistik in den Griff bekommen.

Davon losgelöst warten wir weiter auf den ersten echten Enthüllungsroman. Prognose: er wird kommen, er wird aus dem KSK kommen und er wird wieder im Stern vorab veröffentlicht.

2 Gedanken zu „Die Rückkehr des Landserromans

  1. Landserroman wäre wirklich treffender!
    Aber leider gibt der Autor vor, einen Tatsachenbericht vorgelegt zu haben.
    Daran darf man aber zweifeln.

    Sicherlich hat er das eine oder andere in diesem Buch so oder so ähnlich während seines Einsatzes erlebt. Es gibt aber einige Ungereimtheiten.
    Hier zwei Beispiele, welche leicht zu überprüfen sind:
    1. In Buch liest der geneigte Leser, ISAF bestünde zum Zeitpunkt des Einsatzes des Autors / der Autoren aus drei Brigaden. Tatsache ist aber, dass es damals nur eine ISAF-Brigade im Raum Kabul gab, die KMNB.
    Nicht-Militärs mag dies egal sein. Für die militärische Operationsführung ist dies aber von großer Bedeutung, hat es doch erhebliche Auswirkung auf die Raumordnung, welche festlegt, welcher Truppenteil für welches Gebiet verantwortlich zeichnet.
    Wenn nun der bzw. die Autoren so elementare Dinge nicht wissen, wie können sie dann sicher sein, außerhalb des Operationsgebietes gewesen zu sein?
    2. Darüber hinaus lesen wir, ISAF sei 2002 eine NATO-Mission gewesen. Auch dies ist nicht korrekt. Die NATO hat erst ein Jahr später die Führungsverantwortung übernommen.
    Dies sind nur zwei kleine Beispiele grundsätzlicher Art, die einfach zu erfassen sind/wären. Sie werden aber im Buch falsch dargestellt.

    Wie steht es dann mit der Glaubwürdigkeit in viel komplexeren Fragen, wie z.B. einer militärischen Evakuierung, aus?
    Kann dies ein Soldat im Dienstgrad Stabsunteroffizier (zweitniedrigster Unteroffiziersrang) tatsächlich überblicken und bewerten, wenn er nicht einmal weiß unter wessen Führung er steht und wie der Raum, in dem er eingesetzt wird, gegliedert ist?
    Ich befürchte : NEIN!

  2. Evakuierung + Bewertung durch „niedrige“ Dienstgrade:

    Leider höre ich diese Argumente ja auch in offiziellen Stellungsnahmen … am Ende hat jeder noch so gute Evakuierungsplan nur dann Wert, wenn ihn der „niedrigste“ Dienstgrad verstanden und verinnerlicht hat und im Krisenfall handelt, ohne nachzudenken- und das scheint mir hier nicht der Fall zu sein … man stelle sich mal vor, das VW Werk in Wolfsburg würde abbrennen und „niedrige“ Ränge kennen den Evekuierungsplan nicht – man kann sicher sein, das jedes noch so kleine zivile Unternehmen es hinbekommt, seine Mitarbeiter mehrmals im Jahr bzgl. Evakuierungsmassnahmen zu schulen und dieses sogar noch per Unterschrift nachzuweisen – sorry, aber da kommen mir beim Militär bei diesen Argumenten Zweifel auf, wenn ich davon ausgehe, dass im Buch nicht vorsätzlich gelogen wird ….

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