Eine Ikone des Versagens

Wie man es auch dreht und wendet: Die öffentliche Diskussion funktioniert über Symbole und läuft über Medien. Entscheidend für die Bewertung von Ereignissen durch die Öffentlichkeit ist damit die mediale Wirklichkeit. Das ist keine neue Erkenntnis. Umso überraschender sind deshalb Vorwürfe, dass sich diejenigen, die sich an dieser Diskussion beteiligen, Schreibtischstrategen seien, die von ihrem warmen Büro aus Dinge bewerteten. So geschehen in einer Pressekonferenz des Bundesverteidigungsministeriums. Doch das sind Kleinigkeiten.

Groß ist dagegen das quasi völlige Versagen der obersten politischen und militärischen Führung der Bundeswehr, das in der Bombardierung der beiden von den Taliban geraubten Tanklastwagen in der Nähe von Kunduz quasi kulminiert. Um das Ausmaß des Scheiterns zu ermessen, bedarf es einer gründlicheren Aufarbeitung der Ereignisse in Kunduz und des nunmehr 8 Jahre währenden Afghanistaneinsatzes der Bundeswehr, als hier möglich ist. Dennoch: Zwei Schlaglichter sollen an dieser Stelle genügen, um die Unfähigkeit oder den Unwillen der Verantwortlichen zu beleuchten:

1. Die Bombardierung war unnötig und ist das Ergebnis fehlender Aufklärung, falscher Taktik und unzureichender Ausrüstung
a) Fehlende Aufklärung
Die Bundeswehr ist seit rund 8 Jahren in Afghanistan im Einsatz. In dieser Zeit ist es ihr nicht gelungen, dringend benötigte Aufklärungsstrukturen aufzubauen und das entsprechende Wissen den Einsatzkräften verfügbar zu machen, wie der viel diskutierte Erfahrungsbericht des 17. Einsatzkontingentes zeigt. So fehlt es beispielsweise sowohl an HUMINT-Fähigkeiten als auch an einem brauchbaren „Kontingent-Gedächtnis.“ Das bedeutet nichts anderes, als dass die Soldaten im Einsatz eigentlich nicht wissen, was sie tun und damit auf zweifelhafte Zuträger angewiesen ist.

b) Falsche Taktik
Unabhängig davon ob Zivilisten getötet wurden, dürfte es jedem infanteristisch ausgebildeten Soldaten schwer fallen, zu verstehen, warum es nötig sein soll, zwei Tanklastwagen zu bombardieren, um zu verhindern, dass der Gegner sie nutzen kann. Glaubt man den Berichten, waren die Fahrzeuge aufgeklärt, bewegten sich nicht allzu schnell und waren darüber hinaus bereits durch den Kunduz-Fluss aufgehalten worden. Ein gezielter Beschuss durch MG 3 auf die Zugmaschinen hätte diese hinreichend gelähmt. Der Entscheidung zur Bombardierung dürfte jedoch eine Abwägung vorangegangen sein, die eigenen Kräfte nicht zu gefährden. Das ist prinzipiell richtig, hätte jedoch gemäß der Direktive des neuen ISAF-Kommandeurs Stanley McChrystal, dazu führen müssen, auch eine Gefährdung von Zivilisten auszuschließen. Das ist offenkundig nicht geschehen. Dieser Fehler ist jedoch weniger den taktischen Aufklärungskräften vor Ort anzulasten – diese haben vermutlich durch ihre Nachtsichtgeräte nicht mehr gesehen als zahlreiche Personen und diese als Feindkräfte bewertet – als, s.o., das Ergebnis einer insgesamt unzureichenden strategischen Aufklärung, die die Truppe erst in die Lage versetzt hätte, das Geschehen vor Ort differenziert zu bewerten.

c) Unzureichende Ausrüstung
Zugegeben, es ist Spekulation, aber hätte die Bundeswehr eigene nachtkampffähige Hubschrauber vor Ort, hätte sie, um die Tanklaster aus der Ferne zu bekämpfen, keine Luftunterstützung durch ISAF-Flächenflugzeuge anfordern müssen. Wie präzise bspw. Apache wirken können, zeigen zahlreiche im Netz zu findende Videos.

Um es unmissverständlich zu sagen: Meine persönliche Solidarität gilt den Soldaten im Einsatz. Die Verantwortung für die Defizite liegt in Berlin.

2. Die Kommunikationspolitik der Bundesregierung ist unprofessionell und gefährdet die Legitimation des Einsatzes

Die beharrliche Weigerung des Verteidigungsministers die Realität des Einsatzes anzuerkennen hat die Kluft zwischen Wahrnehmung und Wirklichkeit in der deutschen Öffentlichkeit dramatisch vergrößert. Dabei geht es nicht um die Wortklauberei, ob man den Einsatz Krieg nennt oder nicht. Allerdings war und ist „robust“ nicht der angemessene Begriff, um deutlich zu machen, was es bedeutet, dass die Bundeswehr schon länger im Kampfeinsatz ist.

Die Überforderung der Kommunikationsverantwortlichen zeigt sich unter anderem an der Reaktion auf die aktuellen Ereignisse (siehe hierzu auch bei Thomas Wiegold). Sie ist zu spät, sie ist unzureichend, und sie ist inhaltlich falsch. Vermutlich hat Jungs oberster Kommunikationsberater mal in einem Storytelling-Seminar für Anfänger gelernt, dass man in der Krise ein Gegenbild erzeugen sollte, um eine alternative Lesart der Ereignisse zu ermöglichen. Dieses Bild ist derzeit die angebliche Gefährdung der deutschen Soldaten, wenn sich die Taliban des Tanklastzüge bemächtigt hätten. Es ist – insbesondere für ein militärisch vorgebildetes Publikum – ein schwaches Bild. Es wird umso schwächer, je aktiver ISAF selbst eine defensive Haltung einnimmt.

Die Bombardierung der beiden Tanklastzüge ist eine Ikone des Versagens. Selbst wenn es zahlreiche Gründe dafür gibt, den Einsatz in Afghanistan fortzusetzen – die Unfähigkeit der politischen Führung ist der beste Grund, den sofortigen Abzug zu fordern, denn sowohl durch die unzureichende materielle und personelle Ausstattung als auch die Defizite in der Vermittlung des Einsatzes gefährdet sie dessen Legitimation und – schlimmer noch – die Soldatinnen und Soldaten.

24 Gedanken zu „Eine Ikone des Versagens

  1. Die „New York Times“ berichtete, dass Aufklärungsvideos vorliegen würden, welche Aufständische beim Entladen der Lastwagen zeigen würden und bestätigen, dass keine Zivilisten präsent waren. Ich frage mich, warum man es nicht schafft, diese Video zu veröffentlichen, wenn es sie denn gibt. Ich erinnere mich an den Bala-Boluk-Vorfall, als die USA die Veröffentlichung von Beweisvideos ankündigten, die dann nie erfolgte.

  2. Vieles von dem was Sie sagen ist richtig. However, es bleiben jede Menge ungelöste Fragen. Sicherlich ist es nicht hilfreich, einen überforderten Sprecher mit einem schlechten Sprechzettel vor die BPK zu setzen. Für mich bleibt aber die Schlüsselfrage, warum der Kommandeur des PRT den CAS angefordert und dann freigegeben hat. Man wird dem Kommandeur unterstellen dürfen, dass er sich der möglichen taktischen, operativen, strategischen und politischen Implikationen bewußt gewesen ist. Neben allem wäre hierauf eine Antwort wichtig. Leider ist die Zeit für eine solche fast schon verstrichen und es drängt sich der Eindruck auf, man wäre im politischen Berlin nach Ende der BPK ins Wochenende verreist (was natürlich nicht stimmt).

  3. Im Kalten Krieg und auch in den Jahren danach wurden wir als Infanterie-Soldaten (damals Jägerbataillon 532) darauf trainiert, mit MILAN, kleiner Feldkanone und Mörser gepanzerte Ziele – auch bei Nacht – zu bekämpfen. das Ganze im Angesicht hochgerüsteter sowjetischer Panzerarmeen. Ergänzt wurde dies in meiner Einheit – natürlich – auch mit der Panzerfaust und einem Scharfschützenlehrgang.
    Wenn unsere Ausbildung ausreichend war, dann sollte sie doch auch zur Bekämpfung von Tanklastwagen ausreichen.
    War unsere Ausbildung nicht ausreichend, dann hätten wir uns wohl diese ersparen und einfach kapitulieren können.
    Was hat sich seit den Anforderungen des Kalten Krieges geändert? Was spricht dagegen, ein solches Ziel mit MILAN zu bekämpfen?

  4. Was hätte es geändert, wenn der Tankzug mit einer MILAN bekämpft worden wäre ?
    Die Ladung hätte sich auch entzündet, vielleicht nicht so schnell, nicht so heftig.
    Das Ziel war ja sicherlich auch die Talibankämpfer zu vernichten und nicht nur die Tankwagen.

  5. Wenn man einem Raubmörder in Deutschland Fluchthilfe gewährt, macht man sich mit strafbar und dann muss man auch mit Konsequenzen rechnen. In AFG ist das nicht anders. Was jetzt hier in Europa von einigen Politikern aufgeführt wird, ist ausgesprochen dumpfes Kasperletheater.

  6. Ihrer treffenden Analyse stimme ich weitgehend zu.
    Bei allem Entsetzen über die zivilen Opfer des Luftangriffs hat Patrick mit seinem Kommentar nicht unrecht: Wenn es sich tatsächlich um Leute gehandelt hat, die gerade mit Raubmördern über die Aufteilung der Beute verhandeln, darf sich das Entsetzen in Grenzen halten. Es muss sich vielmehr gegen diejenigen richten, die offenbar sogar Kinder mitten in der Nacht in eine solche Situation bringen.
    Unabhängig von dieser Frage gilt jedoch grundsätzlich: Das Risiko, dass Unbeteiligte zu Schaden kommen, ist bei Luftangriffen ohne Zweifel ungleich höher als durch das direkt gerichtete oder zumindest unmittelbar beobachtete Feuer von Bodenkräften. Bei einem Einsatz der ungenügend ausgerüsteten eigenen Truppe hätte man in einer Lage, die geradezu nach Hinterhalt roch, Verluste allerdings nicht ausschließen können. Im Vorfeld der Bundestagswahlen wäre das natürlich in Berlin besonders unwillkommen gewesen. Diese Überlegungen werden bei der Entscheidung des Kommandeurs vor Ort, eines außerordentlich klugen, besonnenen und taktisch versierten Offiziers, vermutlich eine Rolle gespielt haben.
    Natürlich wäre es wünschenswert und zweckmäßig, Kampfhubschrauber zur Unterstützung der Bodenkräfte zur Verfügung zu haben; allerdings hätten auch einige Kampfpanzer bereits ausgereicht, die Idee, ein nur sieben Kilometer vom eigenen Stützpunkt entferntes Ziel durch Luftstreitkräfte bekämpfen zu lassen, gar nicht erst aufkommen zu lassen und dem Spuk ein schnelles Ende zu bereiten – möglicherweise sogar ohne gezielten Waffeneinsatz. Die Kanadier haben mit ihren Leopard-Panzern jedenfalls vorzügliche Erfahrungen gemacht, auch was das Vermeiden von Kollateralschäden angeht.
    Gegen den Kommandeur vor Ort ermittelt nun, wie die Medien berichten, die Staatsanwaltschaft. Die Verantwortung für die Ausstattung der Truppe und das Auseinanderklaffen von Auftrag und Mitteln liegt aber nicht bei ihm. Sie liegt beim Generalinspekteur und beim Minister, die eine Ausrüstung der Truppe mit schweren Waffen mehrfach abgelehnt haben, weil es das Schönreden des Konflikts konterkariert hätte (s. auch http://www.juergenruwe.de/klartext/bundeswehrschelte.html ). Dieser Verantwortung ist mit strafrechtlichen Mitteln sicherlich nicht beizukommen; bedauerlicherweise müssen sie sich aufgrund der Mechanismen einer großen Koalition jedoch nicht einmal ihrer politischen Verantwortung stellen.
    Ich hoffe zumindest, dass sie nun endlich aufwachen und das Erforderliche veranlassen.

  7. zu c)
    Panzerhaubitzen hätte schon gereicht und wären im Gegensatz zu Kampfhubschraubern auch sofort verfügbar. Die haben eine Reichtweite von 40+ Kilometern und der Vorfall fand nur wenige Kilometer von Kunduz statt. Dann wäre es auch nicht nötig gewesen 20 Minuten zu warten bis ein Flugzeug eintrifft (entweder aus einer Warteposition oder direkt aus Bagram).

    Ansonsten stimme ich zu, dass man die Aufklärungsvideos veröffentlichen sollte. Das ist zwar völlig untypisch für die Bundeswehr, aber andere Armeen machen das öfters. Dann kann man zumindest im Ansatz beurteilen was dort beobachtet wurde.

  8. Es ist angesichts der unzureichenden Lagekenntnis und der widersprüchlichen Informationen noch zu früh, das taktische Detail zu diskutieren. Und Schuldzuweisungen sind bisher auch fehl am Platze.
    Berechtigt ist die vielschichtige und vielstimmige, ja sehr harsche Kritik am Informationsverhalten des Ministers Jung und seiner Beauftragten. Man kann es mit einem Wort charakterisieren: UNGLAUBWÜRDIG.
    Dieser Minister hat so oft schöngeredet, abseits der Realität informiert und den Bürgern die Wahrheit vorenthalten, dass man ihm nicht einmal glaubte, wenn er versuchen würde, die Wahrheit zu sagen. Das ist schlimm, aber es ist vom Minister verursacht und zu verantworten.

  9. Herzlichen Dank für die Kommentare bisher. In der Tat ist es, wie Hans-Heinrich Dieter schreibt, für eine Diskussion der taktischen Lage noch zu früh, zumal sich daraus eine einseitige Kritik an den Entscheidern vor Ort ableiten ließe. Allerdings muss man versuchen, die systematischen Fehler, die dieser Entscheidung zu Grunde liegt, zu beschreiben. Es ist schlicht nicht hinnehmbar, dass es im Verlaufe von 8 Jahren und über 17 (mittlerweile sind wir bei 19) Kontingente hinweg, nicht gelungen ist, ein Kontingent-Wissen aufzubauen. Das heißt im Klartext nämlich nichts anderes, als dass quasi jedes neue Einsatzkontingent quasi bei Null beginnt – ohne nachhaltige Verbindung in die Bevölkerung, ohne zuverlässige Quellen und mit unzureichender Ausrüstung.

  10. Ich weiß nicht, ob durch ein Kontingentgedächtnis die Entscheidung des PRT-Kommandeurs konkret in der Situation beeinflussen hätte können. Sicherlich stimmt es, dass viele Informationen, ja eigentlich alles von jedem Ktgt neu gelernt werden muss. Ist aber auch normal, da viele Soldaten (FWDL/SaZ) ihren ersten und einzigen Einsatz machen und viele Führer ja nicht auf exakt dem selben Dienstposten eingesetzt werden, wie sie vielleicht in Vorgängerkontingenten getan habe. Die einzige Lösung, vor der man aber aus vielen Gründen zurückschreckt, ist die Stehzeit des Ktgt im Einsatz deutlich anzuheben, wie es ja mit den Schlüsseldienstposten schon gemacht wird. Also bleibt nichts anderes übrig als „1.Kontingent – 20. Versuch“ ;-).

  11. Die Entscheidung von Oberst Klein halte ich für richtig. Wäre mit den Tanklastwagen ein Angriff auf das Lager in Kunduz gelungen, wäre der ISAF Einsatz für die Bundeswehr heute beendet. Ein deutscher Kommandeur steht immer auf der Verliererseite und er muss nur abwägen, wie der Schaden für seine Truppe am geringsten bleibt. Die ihm zur Verfügung stehenden Mittel sind ja auch sehr übersichtlich. Dass es in Kunduz keine PzH 2000 gibt liegt auch daran, dass unsere im Gegensatz zu den niederländischen keine Klimaanlage haben und schon deshalb technisch dort nicht einsatzfähig sind, weil die Elektronik die hohen Temperaturen nicht verträgt. Unabhängig davon hat der Verteidigungsausschuss schon mehrfach den Einsatz von Leo 2 und Haubitze angeboten, was vom GI als nicht nötig abgelehnt wurde.
    Auch wenn die Entfernung zum Lager lediglich 7 km beträgt kann man davon ausgehen, dass das Gelände der Truppe nicht bekannt ist. Daher wäre ein Einsatz von Bodentruppen, selbst mit Nachtsichtgeräten, ein unverantwortliches Risiko gewesen. Von den Möglichkeiten eines Hinterhaltes, wie G Ruwe ihn schon erwähnt hat, einmal ganz abgesehen. Eine unbeobachtete Annäherung wäre unter solchen Bedingungen ein absoluter Glücksfall.
    In Kunduz ist auch ein LUNA System im Einsatz. Die Entfernung von 7 km entspricht auch ihrem Aufgabenspektrum und wer die Bilder kennt, weiß auch um die Qualität. Wenn der Auswerter also etwas Erfahrung hat sind Irrtümer nicht ausgeschlossen, das Risiko aber ziemlich gering. So wie ich die Leute kenne liefern sie gute Arbeit. Allerdings zeigen wir auch nicht gerne aller Welt, was wir denn so können. Je nachdem was und wie gefilmt wurde liefert man dem Feind bei einer Veröffentlichung auch wertvolle Hinweise. Bei allen Mängeln waren hier die notwendigen Aufklärungsmittel vorhanden. Ein mitternächtlicher HUMINT Einsatz muss wohl eher als Scherz verstanden werden.
    O Klein konnte aufgrund der Uhrzeit auch davon ausgehen, dass sich keine unbeteiligten Zivilisten dort rumtreiben würden. Einfach ausgedrückt: anständige Menschen liegen zu dieser Zeit im Bett. Auch in Afghanistan. Seine Entscheidung zu Gunsten des Luftangriffs war also richtig.
    Unsere Botschaft müsste daher eigentlich lauten: wer sich mit den Taliban abgibt teilt auch deren Risiken. Nur so lässt sich in Zukunft vermeiden, dass so genannte Zivilisten mit Taliban kooperieren.

    Siehe dazu auch Martin van Crefelds Kommentar zu Hama 1982.

  12. @ Georg
    Der Unterschied zwischen MILAN und den 2x 500kg-Bomben wäre gewesen, dass die Bundeswehr durchaus fähig gewesen wäre, das Ziel auch ohne ein Delegieren an die US-Luftwaffe zu bekämpfen. Wir haben damals auf 1.900 m Ziele bekämpft, heute trifft die verbesserte MILAN auf 3.000 m.
    Bei der Opferzahl – auch möglicher Unbeteiligter – hätte es sicher kaum einen Unterschied gemacht. Die beiden Tanklastzüge wären voraussichtlich in Flammen aufgegangen und somit wären in jedem Fall die direkt herumstehenden Personen getötet worden.

  13. „Die ihm zur Verfügung stehenden Mittel sind ja auch sehr übersichtlich. Dass es in Kunduz keine PzH 2000 gibt liegt auch daran, dass unsere im Gegensatz zu den niederländischen keine Klimaanlage haben“

    Die Niederländer hatte anfangs auch keine Klimaanlage und haben auch noch andere Modifikationen vorgenommen. Genauso wie die Kanadier mit den Leopard Panzern (sowohl 1 als auch 2). Das kann man relativ einfach nachrüsten. Man hat das wissen der anderen Länder und muss nur eine handvoll Einheiten nachbessern.

    Der Unterschied ist das das in andere Ländern meist schnell und unbürokratisch innerhalb weniger Monate oder gar Wochen erledigt ist (man schaue nur mal nach wie schnell sich die Kanadier die Leopard II aus Deutschland besorgt hatten), aber hier Ewigkeiten dauert.

  14. Kaffeesatzleserei!?
    So lange Einiges an dem Vorfall gar nicht klar ist, würde ich mich hüten, schon in Taktik-Unterricht für den lokalen Führer zu verfallen. Beispiele:
    – Gab es eine Quelle für den Anlaß zum Luftangriff oder mehrere, was sagten die Quellen über die Tankwagenansammlung? Gab es ergänzende Informationen? Änderte sich die Lage nach der darauf basierenden Einschätzung?
    – Wurden unbeteiligte (!?) Zivilisten getötet/verletzt oder nicht? Waren die Toten/Verletzten (nicht „die Opfer“, das ist bereits eine Wertung) Taliban/Sympathisanten/Kriminelle/menschliche Schutzschilde?

    Dafür ist einiges andere klar: Die „Rüge“ des untersuchenden US-Generals (erstaunlich, es war ein US-General, die sind ja soo sensibel sonst) ist atypisch brüsk und verfrüht. Die US-Berichterstattung ist atypisch polarisierend, das Verhalten bestimmter anderer NATO-Staaten ist atypisch öffentlich unsolidarisch. Das verdiente etwas mehr Aufmerksamkeit.
    Ich möchte sagen: Schuster, bleiben Sie bei Ihren Leisten, man sollte sich hier – und zwar besonders bis man mehr Fakten hat – auf die Kommunikation beschränken, aber nicht nur auf die deutsche. Was man Anno Leipzig in der Lüneburger Heide gelernt hat, paßt hier wirklich nicht. Sorry.

    Gestatten Sie zum Schluß eine Vermutung: was wäre, wenn das Ganze eine Taliban Informations-Operation wäre aus folgenden Elementen: 1. Tanker stehlen, 2. Zivilisten hinbringen und ein paar Mann eigenes Fußvolk (Gleiwitz läßt grüßen), dort viel Visibilität erzeugen, 3. authentisch und plausibel klingende Info an NATO/Bw loslassen, 4. hoffen und abwarten bis zum Luftschlag, 5. Info über arme Zivilopfer lancieren….ach ja, ich hab vergessen, es ist ja bald Wahl in Deutschland, Zufall???

  15. @James: zu komplex, aber selbst wenn dem so wäre – warum ist die Bundeswehr darauf reingefallen?

    Davon losgelöst: Woher wusste die Bundeswehr am Freitag, dass dort 56 Taliban waren (und nicht 55 oder 57), wenn sie erst später vor Ort war? Und woher kannte sie die Zahlen, wenn doch einige Personen dort quasi pulverisiert wurden? So schnell ermittelt noch nicht einmal CSI.

    Nochmals: Die Soldaten vor Ort haben meine Solidarität. Es liegt nahe, dass viele, die es jetzt besser wissen, ebenso wie Klein entschieden hätten. Das Desaster hat aber eine operative Ebene (siehe Bericht 17. Einsatzkontingent) und eine Politische Ebene. Auf beiden hat die Führung des Ministeriums versagt.

  16. Inwiefern hätte sich das Ergebnis denn bei einem Feuerschlag aus der PzH vom Ergebnis eines Luftschlags unterschieden? Wie präzise ist die PzH? Und wären die Tanklastzüge dann nicht hochgegangen?

  17. Das Ergebnis wäre mehr oder weniger das gleiche gewesen. Aber man hätte nicht 20-30 Minuten warten müssen bis Flugzeuge aus Bagram oder irgendeiner Warteposition eintreffen.

  18. Das heißt, man hätte eventuell die von manchen vermutete Lücke in der Aufklärung vermeiden oder dem Eintreffen der Dörfler zuvorkommen können?

  19. – Wer hätte denn die Treffer der PzH beobachten sollen?

    *Ein deutscher Artilleriebeobachter, der versuchen soll sich nachts in unbekannten Territorium an ca. 50 Talibans ranzuschleichen?
    *Die Kampfflugzeuge der Amerikaner?

    – Ein Gelände in dem Tanklaster stecken bleiben ist sicherlich nicht das ideale Gelände für den Einsatz von Leoparden. Ein Leo der sich dann auch noch festfährt, hätte diese Situation sicherlich nicht entspannt.

    – Nachts eine Milan in unbekanntem Flußgelände so in Stellung zu bringen das die maximale Kampfentfernung von 3000 m ausgenutzt wird und das in direkter Nachbarschaft zu den Taliban?

    Für diese Situation wäre neben dem Luftschlag nur noch der Einsatz von Infantriekräften am Boden sinnvoll gewesen.
    Und das hätte sicherlich zu deutschen Verlusten geführt.
    Ich stelle mir die BILD Schlagzeile drei Wochen vor der Bundestagswahl vor:
    „Geht der Bundeswehr der Sprit aus? 15 deutsche Soldaten sterben bei der Wiedereroberung von zwei festgefahrenen Tanklastwägen. „

  20. “Geht der Bundeswehr der Sprit aus? 15 deutsche Soldaten sterben bei der Wiedereroberung von zwei festgefahrenen Tanklastwägen“

    oder bei Erfolg?

    Bundeswehr verhindert Spritklau in Afghanistan.
    Merkel schlägt Kommandeur für Taperkeitsorden vor und verleiht (wie üblich) selbst. Linke fordert Untersuchungsausschuß. Ulrike Merten schlägt vor: Über Waffeneinsatz entscheidet der Verteidgungsausschuß als Einsatzausschutz. Generalinspekteur wird zusätzlicher und neuer Sekretär im Einsatzauschuss.

    By the way: Zwischen Orden und Staatsanwaltschaft mit Anklage liegt nur geringer Spielraum.

  21. Die Sache dass man davon ausgegangen ist, dass man es mit 50+ feindlichen Kämpfern zu tun hatte. Die greift nicht mal einfach so mit Infanterie an, egal ob man technisch überlegen ist oder nicht.

    Im Irak oder Afghanistan hat man solche Gefechte zwar auch schon in Unterzahl gewonnen, allerdings i.d.R mit Verlusten. Und dann auch nur weil man angegriffen wurde und sich verteidigen musste. Wenn man aber die Wahl hat wird man eine solche Anzahl an Gegnern entweder gar nicht direkt oder nur mit klarer zahlenmäßigen Überlegenheit angreifen.

  22. @Moltke: Die Laster und die Anzahl der Personen wurden aufgeklärt. Bei zeitnahem Beschuß wäre vielleicht auch Trefferbeobachtung drin gewesen.
    Aber da stellt sich eben wieder die noch unbeantwortete Frage: Welche Aufklärungsquellen und -daten waren da?

  23. Sicher nur ein Zufall – aber die Berichterstattung () auf bundeswehr.de bzw. einsatz.bundeswehr.de über das in Kunduz stationierte LUNA-System sind aufgrund eines „Anwendungsfehlers“ derzeit (Sept. 10, 02:30) nicht erreichbar.

    Wer sich also via Google-Query „Bundeswehr+LUNA“ über die (theoretisch (?) als Option in Frage kommende luftgestützte Nahaufklärungskomponente des PRT Kunduz in jener Nacht informieren will…unter der Web-Präsenz des Herstellers EMT sind zumindest die technischen Parameter einsehbar: http://www.emt-penzberg.de/index.php?id=15

    Aus eigener Erfahrung (PHuSt) weiss ich, wie gestochen scharf Personen zB mit einer FLIR im IR-Modus auch aus ca. 3000m (horizontal / vertikal) Entfernung aufgeklärt werden können. Insbesondere mitgeführte Gegenstände (Waffen etc.) lassen sich aufgrund der andersartigen thermischen Signatur identifizieren.

    Die Bw-LUNAS dürften doch sicher mit den vom Hersteller optional angebotenen IR-Videoplattformen ausgerüstet sein. Oder etwa nicht ?

    Es ist anzunehmen, dass im konkreten Fall plausible Gründe vorgelegen haben dürften, dieses bewährte Aufklärungsmittel nicht unmittelbar vor der Entscheidung zum CAS-Einsatz genutzt zu haben bzw. es zur weiteren Aufklärung UND Dokumentation der Ereignisse nach erfolgtem CAS-Einsatz im Luftraum über der Kunduz-Schleife zu belassen.

    Allerdings dürfte es auch meiner Meinung nach angebracht sein, die Ermittlungs-Ergebnisse sowie die daraus resultierenden objektiven Folgerungen der eingesetzten ISAF-Kommission abzuwarten.

    Dennoch bleiben meiner Wahrnehmung nach Fragen, die nicht nur die Einsatzführung – sondern auch die politische Führung unserer Bevölkerung baldmöglichst beantworten sollte.

    * 6-7 km Entfernung vom PRT-Camp und „unbekanntes Gelände“…?
    * Sunset +60 = restricted freedom of movement ?
    * Bewohner von Pashtunen-Dörfern = automatisch TLB-/OMF-
    Supporter ? (gibt es da nicht Erkenntnisse, nach denen TLB/OMF
    Zivilisten gewaltsam zur „Kooperation“ zwingen?)
    * Wie von G Ruwe hier bereits ausgeführt: warum stellt die politi-
    sche Führung den in AFG mit einem „robusten Mandat“ handeln-
    den Kräften nicht eine mit Leopard 2 ausgerüstete Komponente
    zur Verfügung ? Im Kosovo war die Bw im Rahmen eines Friedens-
    Einsatzes (!) mit diesem taktisch wie psychologisch wirksamen
    Waffensystem erfolgreich.

    Bei dieser Gelegenheit: herzliches „Glück ab!“ an Herrn Dieter (Verfasser = ZugFhr II./LLPiKp270 Iserlohn, anno 80/81)

  24. Pingback: “Eine mörderische Entscheidung” – Der Film zum Kunduz-Bombardement « Bendler-Blog

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