Was jetzt zu sagen und zu tun ist

Im Februar wurde ich im Rahmen eines Workshops gefragt, wie es aus meiner Sicht als „PR-Experte“ gelingen könnte, die öffentliche Diskussion über den Einsatz der Bundeswehr zu beleben. Meine etwas flapsige Antwort: Vermutlich müsste eine deutsche Einheit in einen ähnlichen Hinterhalt geraten, wie französische Soldaten im August 2008. So zynisch es damals klang, so genau entspricht es doch der Aufmerksamkeitslogik der Medien, wie die (Medien)Debatte nach dem Tod von weiteren deutschen Soldaten zeigt. Dennoch – oder gerade deshalb – darf sich die Kommunikationsarbeit der Bundesregierung nicht ausschließlich an den aktuellen Schlagzeilen orientieren. Gefordert ist stattdessen eine nachhaltige strategische Ausrichtung, die weitgehend unabhängig von den handelnden Politikern funktioniert. Im Mittelpunkt dieser Strategie müssen (vorbehaltlich einer differenzierten Analyse und Planung) als wichtigste Stakeholder die Soldatinnen, Soldaten und zivilen Angestellten der Bundeswehr sowie deren Angehörige, die Mitglieder des deutschen Bundestages, die Medien sowie die interessierten Bürgerinnen und Bürger stehen.

Vom  Sagen zum Tun

Selbst wenn es etwas aktionistisch wirken mag: Die Regierung, der Verteidigungsminister und die militärische Führung der Bundeswehr haben genau jetzt – mal wieder – eine Chance, schnell wirksame Maßnahmen umzusetzen, die geeignet sind, das Vertrauen in ihre Fähgigkeiten wieder herzustellen bzw. zu stärken. Dazu fünf Vorschläge:

1. Klare Worte

Eine Regierungserklärung der Bundeskanzlerin zum Afghanistaneinsatz u.a. entlang des folgenden Gedankens:

„Die Bundeswehr befindet sich in Afghanistan in einem Kampfeinsatz. Das Ziel dieses Einsatzes ist es, den zivilen Wiederaufbau zu ermöglichen und abzusichern. Denn wir verteidigen in Afghanistan im Einklang mit der internationalen Gemeinschaft nicht nur unsere Freiheit, sondern auch die Grundrechte der dort lebenden Menschen. Das heißt: Wir verteidigen dort unsere Werte, und wir wollen die Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Menschen in Afghanistan die Chance haben, ohne Angst vor Tod und Vertreibung ihr Land gemäß ihrer Werte wieder aufzubauen. Das heißt auch: Afghanistan ist ein Beispiel für das, was Experten als neue Kriege bezeichnen. Darauf müssen wir unsere Soldatinnen und Soldaten ebenso wie die Bevölkerung vorbereiten. Und genauso müssen wir jetzt die Versäumnisse der vergangenen Jahre anerkennen und sie nun mit einem noch größeren Einsatz in allen Bereichen, allen voran den Maßnahmen des zivilen Wiederaufbaus vorantreiben.“

2. Kontinuierliche und umfassende Information

Ergänzend zu den Unterrichtungen des Verteidigungsausschusses und des Parlaments geben die vier Leitministerien ab sofort regelmäßig Quartalsberichte sowie einen Jahresbericht Afghanistan heraus. Die Afghanistan-Webseite der Bundesregierung wird zur zentralen Plattform erweitert, auf dem regelmäßig aktuelle Informationen, Hintergrundberichte, Stimmen von zivilen Aufbauhelfern und Soldaten in Schrift, Bild und Ton zu finden sind.

3. Intensivere und offenere Pressearbeit des Verteidigungsministeriums

Statt quasi täglich die Medien nur darüber zu informieren, welche Einheit der Minister heute besucht, lädt das Einsatzführungskommando ab sofort mindestens wöchentlich zu einer Pressekonferenz ein. Darüber hinaus werden Journalisten in den Einsatzländern keine Restriktionen auferlegt. Einschränkungen der Berichterstattung sind allenfalls dann möglich, wenn die Sicherheit der Soldatinnen und Soldaten gefährdet ist. Entsprechende Entscheidungen sind gegenüber den Redaktionsleitungen zu begründen. Außerdem können Journalisten, die das wollen und eine entsprechende Vorausbildung durchlaufen haben, embedded mit den Einsatzkräften arbeiten.

4. Intensivierung der Bildberichterstattung/Ausbau und gezielte Beauftragung der Einsatzkameratrupps

So schnell wie möglich müssen so viele Patrouillen wie möglich mit Einsatzkameratrupps oder anderen Möglichkeiten der einsatzbegleitenden Bilddokumentation ausgerüstet werden. Formate wie Live-Schaltungen/Diskussionen mit Besuchergruppen werden über den Standort Berlin hinaus flächendeckend in Deutschland angeboten. Der interne Sender bwtv wird zum Vollprogramm ausgebaut. Zusätzliche Inhalte werden durch die Zusammenarbeit mit zivilen Sendern und insbesondere der Deutschen Welle beschafft. Auf einem eigenen YouTube-Channel werden Videoberichte angeboten, die das gesamte Spektrum der Einsätze der Bundeswehr zeigen. Soldaten erhalten die Möglichkeit, hier eigenes Material zu veröffentlichen.

5. Verzahnung der Bundeswehrmedien in einem „virtuellen“ Medienhaus

Sämtliche Bundeswehrmedien stellen sich ihre Inhalte über ein gemeinsames System gegenseitig zur Verfügung. Die inhaltliche Verantwortung verbleibt dezentral. Eine Zentralredation bedient sich jedoch aus diesem Pool und produziert eine zentrale Website im Sinne eines redaktionellen Mediums. Dabei greift sie auch auf Inhalte des gemeinsamen Portals der Regierung zu bzw. liefert Inhalte dorthin.

Das mal zum Anfang. Wer Einwände hat, darf sie gerne behalten. Warum sich diese Vorschläge alle nicht umsetzen lassen, weiß ich selbst. Bedenkenträger dürfen also ihre Bedenken gerne weiter tragen. Ich werde sie ihnen nicht abnehmen. Das werden andere tun. Alle anderen sind herzlich zum Diskutieren und vor allem Machen eingeladen.

7 Gedanken zu „Was jetzt zu sagen und zu tun ist

  1. “Die Bundeswehr befindet sich in Afghanistan in einem Kampfeinsatz. Das Ziel dieses Einsatzes ist es, den zivilen Wiederaufbau zu ermöglichen und abzusichern. Denn wir verteidigen in Afghanistan im Einklang mit der internationalen Gemeinschaft nicht nur unsere Freiheit, sondern auch die Grundrechte der dort lebenden Menschen. Das heißt: Wir verteidigen dort unsere Werte, und wir wollen die Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Menschen in Afghanistan die Chance haben, ohne Angst vor Tod und Vertreibung ihr Land gemäß ihrer Werte wieder aufzubauen. Das heißt auch: Afghanistan ist ein Beispiel für das, was Experten als neue Kriege bezeichnen. Darauf müssen wir unsere Soldatinnen und Soldaten ebenso wie die Bevölkerung vorbereiten. Und genauso müssen wir jetzt die Versäumnisse der vergangenen Jahre anerkennen und sie nun mit einem noch größeren Einsatz in allen Bereichen, allen voran den Maßnahmen des zivilen Wiederaufbaus vorantreiben.”

    Das ist wirklich genial! Diese Formulierung trifft’s!
    Ansonsten sehr gute und vor allem potenziell äußerst wirksame Vorschläge. Ca. zwei Drittel der deutschen Jugend sind inzwischen in sozialen Netzwerken o.Ä. vertreten. Ein Grund mehr, sich zudem für Nachrichtenportale wie Twitter oder Communities wie Facebook zu öffnen.
    Wenn dann auch noch (reale) Videos veröffentlicht werden, damit meine ich sowohl Material über Kampf- als auch über humanitäre Einsätze (das Spektrum des Three Block War, worum es sich in Afghanistan eindeutig handelt), wird man der Bundeswehr offener gegenüber stehen – das Bild entspricht damit immer mehr der Wirklichkeit.
    Das ist der Schlüssel für weitreichende(ere) Akzeptanz unserer Soldaten und unserer Einsätze.
    MfG

  2. Tzzz…immer diese Fernsehleute und von wegen EKT überall dabei… ;o) –
    gibt auch noch nen Radiosender bei der Truppe: zB diese Meldung im x-beliebigen Autoradio: „Das und das ist passiert. Das berichtet der deutsche Soldatensender“ alternativ auch gern mit entsprechenden O-Tönen wäre doch auch nicht schlecht in Deinem PR-Reigen, oder?

    Ganz zu schweigen von der wahnwitzigen Idee, dieses Soldatenradio-„Gedudel“ in D auszustrahlen (als RadioStream wären die Jungs übrigens sogar noch weit vorm grossen Bruder in Sachen „moderne Internettechnologien“, oder gibts bei denen irgendwo gestreamte (Echtzeit-)Inhalte zu sehen/hören?)

    Dazu als Punkt 1,5) also direkt hinter Angie zum Thema Klare Worte:
    Schaffung einer internen (Mitarbeiter-)Kommunikationskultur im Sinne des Auftrages, die dazu führt, dass über geeignete und ggf. bereitgestellte Kanäle (siehe dazu den grossen Bruder und seine twitter-trooptube-facebook-Ambitionen) die kleinen und die grossen Dinge des Einsatzes AUTHENTISCH in die Heimat gelangen.
    Das geht am besten direkt von StaatsBürger zu StaatsBürger ähm ich meinte natürlich StaatsBürger in Uniform zu StaatsBürger, ohne fünfmal abgezeichnet zu werden…auf offiziellen Seiten wird letzteres vom Rezipienten stets vermutet…

    Oder erstma zum ausprobieren für die „Kommunikationstruppen“ ganz altmodisch ein Blog eines Soldaten i.E., da sollen ja auch neuerdings Audio und Video’s und so drinne funktionieren… ;o)

    Achja, nochwas: Du glaubst echt, hier lesen MACHER mit?!? ;o)

  3. Das Problem die Berichterstattung an aktuellen Zwischenfällen aufzuhängen, ist dass in Deutschland da jedesmal sofort eine Abzugsdebatte ausbricht. Zum Glück nicht in der Regierung, aber die Kommentare von Linken und einigen Medien sind schon schlimm genug.

    Es ist ja gut, wenn über den Einsatz offen geredet wird, aber wenn dann ständig Leute fordern „sofort alles abziehen“ macht man sich erpressbar. Die Taliban wissen ganz genau was hier abläuft und dass sie mit minimalem Druck einen maximalen Effekt erzielen können.

    Was mich sind noch extrem nervt, ist dass in Deutschland immer der Eindruck erweckt wird, das nur die USA kämpfen und dass alle Gewalt im Süden von den USA ausgeht. Es ist hier kaum bekannt dass dort auch Kanada, Großbritannien (obwohl bei denen vielleicht noch am ehesten), die Niederlande oder Dänemark massiv in Kämpfe und vor allem Offensiven verwickelt sind. Auch von den Franzosen und Italienern sind in letzter Zeit vermehr Berichte über Kämpfe zu hören.

    Diese Wahrnehmung müsste sich wirklich mal ändern. Dann hätte man nicht mehr das leichte Feindbild USA und würde merken dass dort wirklich eine Allianz tätig ist.

  4. Ja, hier lesen Macher mit: Du zum Beispiel;-) Und unter den mehr als 1000 Besuchern, die allein gestern hier gelesen haben, dürften weitere sein – sagen zumindest die IP-Adressen (und für gewöhnlich zuverlässige menschliche Quellen).

    Immer noch Zweifel? Kanzlerkandidat Steinmeier folgt schon mal meinem Formulierungsvorschlag „Kampfeinsatz“ (http://www.news-adhoc.com/steinmeier-veraergert-ueber-kriegsdebatte-zu-afghanistan-idna2009062537473/)

  5. Die Aufmerksamkeit ist inzwischen da (R.I.P. fallen soldiers).
    Allerdings auch meine Erschütterung über manche Kommentare bei SpOn oder Welt.
    Jetzt wird endlich von Krieg gesprochen (das war es, was die Online-Kommentatoren immer gewollt haben), doch das uninformierte, naive Gemeckere geht weiter, Beleidigungen und Aufrufe zur Gewalt sind nicht selten zu lesen. Ich glaube, der einzige Weg, der Bevölkerung klarzumachen, was in AFG geleistet wird, ist ein aufwendiger:
    Man muss lernen, das Internet zu nutzen. man darf nicht meinen, dass keiner gegen den krieg (für mich eher ungerechtfertigt) demonstriert, schließlich werden die Proteste über das Web 2.0 ausgetragen. Die Medienmacher der Bundeswehr wollen zwar, können aber nicht richtig vermitteln und erklären (seit IBuK KTzG ist, wird es besser). ich denke nicht, dass ein ISAF-Einsatzgegner plötzlich für den Einsatz ist, nur weil man inzwischen auch Gefechtsvideos Liebes BMVg, setzen sie eine

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