Das Versagen hat System

Umschlagtitel des Buches Einsatz ohne Ziel?

Ein bemerkenswert kluges Essay hat Klaus Naumann, Mitarbeiter des Hamburger Instituts für Sozialforschung, geschrieben. Unter dem Titel „Einsatz ohne Ziel? Die Politikbedürftigkeit des Militärischen“ skizziert Naumann die grundlegenden Dilemmata, der sich Politik und Militär angesichts der veränderten Rahmenbedingungen einer weltweiten Interventionspolitik gegenübersehen. Der größte Verdienst ist dabei, dass er sich nicht auf eine abstrakte Analyse beschränkt, sondern konkrete Handlungsoptionen aufzeigt und dabei vor allem von der militärischen Führung der Bundeswehr verlangt, ihr Rollenverständnis grundsätzlich zu überdenken. Nach mehr als 50 Jahren, in denen der Primat der Politik durch die Offiziere als implizite Aufforderung zum Schweigen bei zentralen Fragen verstanden wurde, fordert Nauman sie nun auf, den öffentlichen Diskurs aktiv mitzugestalten. Sein stärkstes Argument dabei: eine Politik, die von Soldaten verlange, in Einsätzen rund um die Welt auch politisch zu agieren, könne nicht erwarten, dass die selben Soldaten sich in der Heimat unpolitisch verhalten. Es bleibt zu hoffen, dass die 125 Seiten des Buches an den Offizierschulen, den Universitäten und der Führungsakademie der Bundeswehr intensiv studiert werden, und man darf gespannt sein, welche Spitzenmilitärs als erstes ohne Furcht vor Laufbahnnachteilen in der Lage sein werden ein neues professionelles Selbstverständnis zu artikulieren.

3 Gedanken zu „Das Versagen hat System

  1. <p>Herr Naumann stellt mit Recht die Politikbedürftigkeit des Militärischen heraus. Der Primat der Politik hat die Offiziere der Bundeswehr in der Vergangenheit zu stark „gefesselt“, die Auflagen des Soldatengesetzes zur politischen Meinungsäußerung wurden zu eng ausgelegt und der § 50 Soldatengesetz als Damoklesschwert über den Generalen, die schon aufgrund ihres Amtes und ihrer Verantwortung Klartext gegenüber dem Minister und dem Parlament reden müssten, behindert die freie politische Meinungsäußerung, sogar wenn die Lage sie erfordet. ( siehe auch http://www.md-office-compact.de/DiskussionParagraph50.htm ) Auch deswegen findet ein öffentlicher sicherheitspolitischer und strategischer Diskurs nicht wirklich statt.<br />
    Dabei verlangt die Philosphie der Inneren Führung vom Staatsbürger in Uniform geradezu, dass er sich, wenn gefordert, auch politisch mutig einbringt. Die Zeiten der Weimarer Republik mit dem Ethos der Reichswehr haben sich lange überlebt. Die Rahmenbedingungen einer Einsatzarmee und die Verantwortung gegenüber den eingesetzten Soldaten erfordern eindeutige sicherheitspolitische Zielsetzungen, klare militärstrategische Konzepte und juristisch eindeutige Einsatzgrundlagen. Das haben wir zum großen Teil nicht, weil die zuständigen Politiker und Parlamentarier dieser Verantwortung nicht nachkommen. Der Generalinspekteur der Bundeswehr ist der erste, von dem mutige sicherheitspolitische Aussagen zu erwarten wäre. Der ist bei den Politikern sehr beliebt, sicher auch, weil man von ihm keine mutigen Aussagen hört.</p>

  2. Dazu zwei interessante Links:
    http://kingsofwar.wordpress.com/2009/06/08/political-soldiers/
    http://www.zeit.de/online/2009/25/bundeswehr-schneiderhan-soldaten-einsatzbereitschaft

    Es geht also schon. Ich persönlich bin der Meinung, dass politische Soldaten eher toleriert, nicht aber gefördert werden sollen. Zu viele wichtige Prinzipien, darunter der Primat der Politik sowie Befehl und Gehorsam, könnten verwässert werden, und lieber habe ich ein paar apathische Soldaten als „tanks on the Downing Street lawn“. Was auf keinen Fall heißt, dass Maulkörbe verteilt werden sollen, aber eine gewisse Zurückhaltung, insbesondere keine populistischen Entgleisungen, erwarte ich von der militärischen Elite schon.

    Im Übrigen bin ich nicht der Ansicht, dass politische Soldaten unsere mangelnde sicherheitspolitische Debatte groß ankurbeln können, da sollten wir (zurecht) mehr von der politischen Führung und der Bevölkerung einfordern.

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