Netzwerkzentriertes Trauerspiel?

Einen hervorragenden Kommentar zur Diskussion um das geplante Ehrenmal hat Stefan Reinecke für die taz geschrieben. Er bringt nicht nur den Diskussionsunwillen des Ministers auf den Punkt, sondern hält auch eine Information bereit, die, wenn sie zuträfe, ein extrem geschmackloses Detail darstellte: eine elektronische Liste der Toten. Innerhalb der guten und sehr informativen Unterlagen, die das Ministerium zusammengestellt hat, kann ich das nicht verifizieren. Wenn das wirklich geplant sein sollte, dürfte die digitale Informationskette in der Netzwerkzentrierten Operationsführung zukünftig wirklich bis zum bitteren Ende reichen. Wer hierzu mehr weiß, ist herzlich eingeladen, es zu sagen.

Aber auch die verifizierbaren Fakten hinterlassen bei mir ein schales Gefühl. Michael Forster hat in seiner Stellungnahme bereits die Einfallslosigkeit der Entwürfe insgesamt kritisiert. Diese Kritik teile ich grundsätzlich. Noch mehr stören mich aber zwei andere Aspekte: zum einen wird mir bei der Referenz der Außenhülle auf die (meine?) Erkennungsmarke körperlich schlecht. Jetzt könnte man sagen, toll, die Architektur wirkt. Allerdings ist die Erknnungsmarke für mich als Reserveoffizier aber nicht das Symbol für meinen möglichen Tod im Einsatz für Deutschland, sondern schlicht ein pragmatisches Instrument der Kriegslogistik, das – so meine Prognose – zukünftig durch RFID-Chips ersetzt werden wird. Hat sich der Herr Professor hier eventuell allzu sehr von den pathetischen Momenten von vor allem US-amerikanischen Spielfilmen, in denen Erkennungsmarken dog tags (Hundemarken) heißen, etwas übermäßig beeinflussen lassen?

Das andere Detail liefert erneut Thomas Wiegold. Er beschreibt, welch aufwändiges Verfahren ihm vorgeschlagen wurde, um nur die Baustelle fotografieren zu dürfen. An anderer Stelle hatte ich bereits darauf hingewiesen, den Minister an seiner eigenen Forderung zu messen, das Ehrenmal öffentlich und zugänglich zu machen. Das bedeutet insbesondere keine psychologischen Barrieren aufzubauen. Wer aber schon vor dem Beginn der Bauphase versucht, das Fotografieren zu verbieten, wird einen langen Weg zurücklegen, um sich selbst mental so vorzubereiten, diese nötige Offenheit zukünftig zu zu lassen. Denn nur so wird das Ehrenmal zum öffentlichen Gedenkort. Und welche Wirkung davon ausgehen könnte, zeigt bereits eine kleine Suche nach dem Begriff Vietnam Memorial auf Flickr. Daran sollten sich die Entscheider in der Regierung ein Beispiel nehmen – und das Ehrenmal vor dem Reichstag errichten. Und zwar ohne Hundemarken und nach einer neuen öffentlichen Diskussion un deinem neuen Wettbewerb.

3 Gedanken zu „Netzwerkzentriertes Trauerspiel?

  1. Doch doch, das mit der Elektronik ist schon, wie heisst es, angedacht. Schließlich muss ja die Quadratur des Kreises gelingen: Die ursprüngliche Minister-Überlegung, keine Namen dort zu veröffentlichen, die -laut Ministerium – von manchen Angehörigen geäußerte Bitte, die Namen ihrer Toten nicht zu nennen, der Wunsch, den Toten nicht auch noch den Namen zu nehmen, und nicht zuletzt: die Befürchtung, eine wie beim Vietnam Memorial in Stein gemeißelte Liste ließe aus dem noch zur Verfügung stehenden freien Platz Rückschlüsse zu, wie viele Opfer noch erwartet werden….

    Die Überlegungen orientieren sich jetzt an der Holocaust-Gedenkstätte in Berlin, wo wohl auch – ich kenne davon nur Fotos und war noch nicht in der Informationssätte unter dem Denkmal – Namen an die Wand projiziert werden. Das muss nicht schlecht sein. Aber, ich gebe zu: Die Assoziation zur NetOpFü hatte sich mir noch nicht so aufgedrängt.

  2. Die Netzwerkassoziation erscheint – zugegeben – weit hergeholt, aber bei mir war sie sofort da. Insgesamt zeigen aber diese und andere Fragestellungen, das über die Thematik weder aureichend gründlich nachgedacht noch diskutiert wurde. Und das liegt auch ganz deutlich an der seltsamen Haltung der Abgeordneten, die nach dem Prinzip aus den Augen aus dem Sinn verfahren.

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