Deutschland bewegt sich

Ich bin nicht sicher, was an meinen Beobachtungen Wunschdenken, selektive Wahrnehmung oder tatsächliche Entwicklung ist. Es scheint jedoch, dass langsam aber sicher, etwas Bewegung in die öffentliche Debatte über Sicherheitspolitik allgemein, und das deutsche Engagement in Afghanistan kommt. Die Zeit begleitet das Thema nun schon recht lange mit einer Themenseite Afghanistan – Krisenstaat am Hindukusch. Friederike Böge, als Korrespondentin für die FAZ in der Region, liefert interessante Einblicke, aktuell über die Kronprinzen von Kandahar, zwei Neffen von Präsident Karzai, die aus den USA nach Afghanistan gekommen sind. Es scheint, der neue wilde Westen liegt in Asien.

Und es gibt Anzeichen, dass diese Diskussion – auch nach den Äußerungen und dem Rücktritt des ehemaligen Bundespräsidenten Horst Köhler – mehr ist als ein Medienphänomen. Das Online-Magazin e-politik.de hat ein Dossier zum Thema „Deutsche Strategiefähigkeit im 21. Jahrhundert“ zusammengestellt, in dem sich neben dem „Afghanistan-Veteranen“ Winfried Nachtwei unter anderem auch Roderich Kiesewetter, Bundestagsabgeordneter und ehemaliger Oberst der Bundeswehr dazu bekennt, dass die sicherheitspolitische Kommunikation verbessert werden muss. Kiesewetter sagt klar und deutlich, dass Sicherheitspolitik kein sexy Thema ist, und skizziert einen möglichen Weg unter Einbeziehung der relevanten Akteure. Obwohl es nicht ganz einfach sein wird, den Diskurs der bestehenden unstrategischen Community auf die Öffentlichkeit zu erweitern, aber Kiesewetters Absichten sind redlich, seine Argumente plausibel. Das zeigt unter anderem seine Antwort auf Fragen, die ich ihm über abgeordnetenwatch.de gestellt habe. Geantwortet haben auch Joachim Pfeiffer sowie Annette Schavan, wobei das allen gemeinsam Argument, dass ein Evaluation des Afghanistan-Einsatzes zum jetzigen Zeitpunkt nicht sinnvoll sei, nicht überzeugt. Im Gegenteil, gerade aus einer rückblickenden Evaluation könnten sich Hinweise ergeben, um Ziele und Methoden weiter zu entwickeln. Vor allem aber könnte eine regelmäßige Berichterstattung, wenn nicht für komplette Transparenz, so doch aber für mehr Anerkennung und Nachvollziehbarkeit sorgen.

Diese Argumentation stützt auch Winfried Nachtwei, der sich wünscht, diese Berichterstattung nicht nur auf den parlamentarischen Feldherrenhügel zu begrenzen. Ein Wunsch, den Nachtwei im Übrigen mit bislang mehr als 650 Bürgerinnen und Bürgern teilt, die bis jetzt eine Petition mitgezeichnet haben, mit der der Bundestag die Bundesregierung zu einer kontinuierlichen, ressortübergreifenden Information zu verpflichten. Die Zahl der Mitzeichnenden liegt zwar noch deutlich unter dem für eine öffentlich Anhörung erforderlichen Quorum von 50.000, ist aber ein Zeichen, dass die u.a. hier wiederholt geforderte öffentliche Debatte nicht nur dem Wunschdenken Einzelner entspricht.

2 Gedanken zu „Deutschland bewegt sich

  1. Hierzu ein kurzer Hinweis:
    Die Bundestagsfraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN haben am 09.06.2010 einen Entschließungsantrag zur Evaluierung der deutschen Beteiligung an ISAF und des deutschen und internationalen Engagements für den Wiederaufbau Afghanistans seit 2001 im Bundestag eingebracht.

    Der Deutsche Bundestag solle demnach die Bundesregierung auffordern,
    ● umgehend eine kontinuierlich angelegte, unabhängige, wissenschaftliche Evaluierung des bisherigen Engagements seit 2001 und insbesondere der Auswirkungen des begonnenen Neuansatzes zu beauftragen;
    ● ein erstes Zwischenergebnis dem Deutschen Bundestag bis Mitte Dezember 2010 als Bericht zuzuleiten, um die Ergebnisse in die Anfang 2011 anste- hende Entscheidung über eine weitere Verlängerung des ISAF-Mandates einließen lassen zu können;
    ● den Deutschen Bundestag in regelmäßigen Abständen, spätestens vierteljährlich, über den Fortgang der Untersuchung zu unterrichten.

    Der Entschließungsantrag ist auf der Hompage der Parteien verfügbar (Drucksache 17/1964).

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