Der Preis ist heiß

Bevor ich zum Jahresabschluss noch versuchen werde, in Bezug auf das Kunduz-Bombardement, militärische, politische und mediale Handlungslogiken neben- und übereinander zu legen, ein kurzer Hinweis auf letztere.

Das durchaus anerkannte „mediummagazin“ kürt regelmäßig die „Journalisten des Jahres.“ Für dieses Jahr haben die rund 60 Juroren nun Stefan Kornelius von der Süddeutschen Zeitung mit einem Sonderpreis ausgezeichnet. Preiswürdig sei, so die Jury, sein Beitrag “Er hat die Menschen als Ziel, nicht die Fahrzeuge“ zu Details des geheimen ISAF-Berichts zur Bombardierung in Kunduz in der Ausgabe vom 12. Dezember.  In der Begründung (hier nachzulesen) heißt es, Kornelius stelle in sachlichem Ton den Sachverhalt klar und enthalte sich weitgehend jeder Wertung und begründe so einen erheblichen Teil der Folgewirkung des Berichts.

In Abgrenzung zur Berichterstattung Bild-Zeitung hält die Jury den SZ-Beitrag für preiswürdig, „da er die eigentliche Tragweite des Thema ins öffentliche Bewußtsein rückte – nämlich die Frage nach dem künftigen Selbstverständnis Deutschlands beim Einsatz von militärischer Gewalt. In diesem Beitrag und seiner begleitenden Kommentierung zeigt sich, so die Jury, Journalismus in seiner Kernaufgabe – Details zusammenzutragen, zu analysieren und daraus Orientierung zu vermitteln abseits von jedem politischen Lagerdenken.“

Leicht beleidigt reagiert darauf Bild-Chefredakteur Kai Diekmann. Er war für einen anderen Preis der gleichen Jury vorgesehen, lehnt diesen aber nun ab, weil er die Rolle der Bild nicht hinreichend gewürdigt sieht (hier nachzulesen). Diekmann hat hier nicht ganz unrecht, denn mit ihrer Berichterstattung hat die Bild sich in der Tat als kampagnenfähiges Medium erwiesen und die lange überfälligen Debatte einem breiten Publikum geöffnet. Die Auszeichnung von Stefan Kornelius gewährt dagegen einen erschreckenden, gleichwohl aber realistischen Einblick in den deutschen Journalismus.

Wenn es schon ausreicht, ausgewählte Fakten aus einem Bericht der Nato einigermaßen sachlich richtig darzustellen, um einen Journalismus-Preis zu gewinnen, sind wir von einer aufgeklärten sicherheitspolitischen Debatte in Deutschland noch weit entfernt. Und auch um den Journalismus wäre es dann in der Tat nicht gut bestellt. Kornelius aber ist ein guter Journalist. Also ist dieser Preis ein Fehler. Der Preis hingegen als auch die Reaktionen darauf offenbaren jedoch, dass sich sehr viele mediale Akteure vor allem für sich selbst und nicht mehr für die Gegenstände ihrer Berichterstattung interessieren. Zumindest das kann man als Erkenntnisgewinn verbuchen.

4 Gedanken zu „Der Preis ist heiß

  1. Die Washington Post hat wenigstens den ganzen Bericht online gestellt und nicht nur Auszüge. Das wär doch mal was.

  2. Jounalismus zeigt sich im Zusammenhang mit dem Kunduz-Vorfall aber insbesondere im Zusammenhang mit der Kampagne gegen Verteidigungsminister zu Guttenberg, zum Teil als sehr parteiabhängig und auch wenig sachkundig. Die Bild-Zeitung ist in diesem Zusammenhang m.E. tatsächlich über sich hinausgewachsen.
    Der Journalist der Financial Times Deutschland Zepelin war wahrscheinlich nicht im Blick der 60 Juroren, er verdient aber Beachtung und nach meiner Einschätzung auch Anerkennung für einen guten und treffenden Artikel:
    http://www.ftd.de/politik/deutschland/:verteidigungsministerium-das-rosarote-system-jung/50053442.html

  3. In der Tat, Herr Dieter, dieser Artikel ist sehr lesenswert. Darin, dieses Machtsystem anders zu organisieren, liegt der notwendige Kulturwandel. Wer hat in diesem Zusammenhang schon etwas genaueres zur geplanten Kommission zur Bundeswehr gehört?

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