(Generalleutnant a. D.) Siegfried Storbeck (u.a. Chef des Führungsstabs der Streitkräfte und Stellvertreter des Generalinspekteurs) hat für die Welt einen lesenswerten Text zur soldatischen Ethik verfasst. Eine zentrale Frage lässt er in seinem Essay jedoch unbeantwortet: Wo liegen die „Grenzen des Gehorsams“ für diejenigen, die heute Soldatin oder Soldat sind?
Storbecks „Auch für unsere Söhne und Töchter als Soldaten gelten die Werte anständigen Soldatseins. Im Krieg in Afghanistan gehören Hass, Vernichtungswillen und mörderische Heimtücke unter Einbeziehung unschuldiger Zivilbevölkerung zur hinterhältigen Taktik der Taliban. Dieser Bruch sämtlicher Konventionen durch den Gegner wird für unsere Soldaten und ihre Führung nicht nur zur harten Prüfung ihres Könnens und ihrer Tapferkeit, sondern auch ihrer moralischen Festigkeit“, macht zur Voraussetzung, dass die Entscheidungen der jetzigen politischen Führung im Sinne des soldatischen Gehorsams unhinterfragbar sind. Es ist wesentlich für die Demokratie, dass sie genau das nicht sind. Oder einfacher gefragt: Was sollen die Soldaten tun, die nach bestem Wissen und Gewissen davon überzeugt sind, dass der Afghanistan-Einsatz falsch ist?
„Was sollen die Soldaten tun, die nach bestem Wissen und Gewissen davon überzeugt sind, dass der Afghanistan-Einsatz falsch ist?“
Wissen und Gewissen. Vielleicht soll darauf hingewiesen werden, dass Gewissen eine Katgeorie der Moral ist und nach „gut“ und „böse“, „gutes und reines Gewissen“ sich bezieht. Ob der Afghanistan – Einsatz „falsch“ ist oder nicht – das ist ein Kategorie des „zweckmäßigen“. Aber wie ist das nun mit dem Wissen?
Das Bundesverfassungsgericht hat das Gewissen definiert als ein unabweisbares, den Ernst der gesamten Persönlichkeit ergreifendes
sittliches Gebot, eine Warnung vor dem Bösen und einen unmittelbaren
Anruf zum Guten. Die Gewissensfreiheit ist jede ernste sittliche, d.h. an den Kategorien von Gut und Böse orientierte Entscheidung, die der Einzelne in einer bestimmten Lage als für sich bindend und unbedingt
verpflichtend innerlich erfährt, so daß er gegen sie nicht ohne ernste Gewissensnot handeln könnte.
Ist der ISAF Einsatz nun „gut“ oder „böse“ oder ist er „nicht zweckmäßig“, „wenig erfolgsträchtig“ – darüber streitet die Expertise, weniger das Gewissen als moralische Instanz.
Die Frage nach den Grenzen des Gehorsams deutscher Soldatinnen und Soldaten ist im Soldatengesetz §11 beantwortet. Befehle müssen nicht befolgt werden, wenn sie nicht zu dienstlichen Zwecken erteilt sind oder gegen die Menschenwürde verstoßen. Befehle dürfen nicht befolgt werden, wenn ihre Ausführung eine Straftat zur Folge hat.
Die Soldaten haben der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen. Nicht nur „die politische Führung“ sondern die Mehrheit des deutschen Volkes, vertreten durch die Abgeordneten im Bundestag, hat sich für den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan entschieden. Diese demokratische Entscheidung ist im Sinne des soldatischen Gehorsams nicht hinterfragbar. Das muss im Sinne unserer wehrhaften Demokratie auch so sein.
Wenn man soldatischen Gehorsam von den persönlichen Einschätzungen unserer Soldaten zum Sinn oder Unsinn, Erfolg oder Misserfolg des Afghanistaneinsatzes abhängig machen wollte, würde die Einsatzbereitschaft des Bundeswehr zur Disposition gestellt.