Man darf wirklich gespannt sein, wie der neue Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg sein Amt ausfüllen wird. Die Erwartungen an das „Kommunikationstalent“ (tagesschau.de) sind hoch. Mit ihrer überzeugenden Rede nach der Bombardierung in Kunduz hat sich Kanzlerin Merkel klar zur Bundeswehr und zum Einsatz in Afghanistan bekannt. Jetzt hat sie einen Minister gefunden, der trotz der Anmutung der Koalitionsverhandlungen als Verschiebebahnhof, intellektuell und inhaltlich willens und vor allem in der Lage ist, das Bekenntnis der Kanzlerin in praktische Politik umzusetzen. Die Aufgaben, die vor ihm liegen sind extrem vielfältig und eng miteinander verwoben.
An vorderster Stelle in der öffentlichen Wahrnehmung wird, so ist zu erwarten, auch in den kommenden Monaten der Einsatz in Afghanistan stehen. Es ist allerdings nicht die mediale Logik, die Afghanistan so bedeutend macht. Der Einsatz ist vielmehr, unabhängig von den Schlagzeilen, ein Symbol für alles was die Bundeswehr kann – und was sie nicht kann. Was sie kann, beweisen dramatisch unterausgerüstete Soldatinnen und Soldaten tagtäglich im Einsatz. Daran lassen sie sich weder von einer selbst verursachten Regelungswut (TÜV-Plaketten und Mülltrennung gelten auch am Hindukusch) noch von ihren Gegnern abhalten. Genau mit der Anerkennung dieser Leistung kann zu Guttenberg seine ersten, wichtigen Punkte in der Truppe machen. Und zwar allein schon durch eine offenere, klarere Sprache. Dahinter verbirgt sich nicht mehr und nicht weniger als ein dringend gebotener Kulturwandel der Bundeswehr.
Eine Hoffnung: Zukünftig wird sich niemand mehr hinter tatsächlichen oder vermeintlichen Hierarchien verstecken können. Stattdessen ist auf allen Ebenen Verantwortung für die Aufgaben und für das eigene Tun gefragt. Was das konkret bedeutet, wird – im Rahmen der Möglichkeiten – hoffentlich die im Koalitionsvertrag angekündigte Kommission zur Organisationsstruktur der Bundeswehr skizzieren. Ein Signal wird bereits sein, wen zu Guttenberg in diese Kommission berufen wird. Denn im Kern geht es darum, die Interessen der deutschen und europäischen Rüstungswirtschaft mit den politischen Zielen der Regierung und den Anforderungen der Bundeswehr, neu zu justieren. Konkret: die Mittel für eine schnelle, unmittelbar spürbare Verbesserung der Einsatzfähigkeit freizumachen und den Einstieg in den Ausstieg der bisherigen Rüstungsplanung zu finden, ohne die wehrtechnische Industrie zu vergraulen.
Die dritte zentrale Aufgabe des neuen Ministers wird es sein, nach langen Jahren der Lippenbekenntnisse, Deutschland endlich nicht nur zu einem verlässlichen, sondern auch starken Partner in der westlichen Gemeinschaft zu machen und auch Impulse zur Neukonstituierung der NATO zu geben. Auch das wird nicht ohne einen Kulturwandel möglich sein. Einen Wandel, der nicht nur Politik, Streitkräfte und Rüstungsindustrie betrifft, sondern die Gesellschaft als Ganzes, die sich über die Rolle Deutschland in der Welt bewusst werden sollte, um zu einem aufgeklärten Urteil darüber zu kommen, was wir wollen, warum wir es wollen und wie wir es wollen.
Wie die neue Führung des Ministeriums diese und weitere Aufgaben angehen will, wird sich auch darin zeigen, wie sie darüber sprechen wird. Es ist vermutlich nicht übertrieben, zu sagen, dass in der Bundeswehr und in ihrem Umfeld jetzt sehr viele hundertausend Menschen genau hinhören werden, und es wäre wirklich zu wünschen, wenn auch umgekehrt die neue Führung sehr genau hinhört, was diese Menschen zu sagen haben.
Danke für die treffende Darstellung.
Nach vier mageren, wenig ergiebigen und teilweise frustrierenden Jahren stimmt die Personalentscheidung für zu Guttenberg froh. Und auch ich bin der Meinung, dass ein grundlegender sicherheitspolitischer Kulturwandel dringend geboten ist, beginnend mit der grundsätzlichen Aufarbeitung unseres Engagements in Afghanistan.
Für Afghanistan brauchen wir ein sicherheitspolitisches Zielsystem und ein militärstrategisches Konzept als Grundlage für politische Entscheidungen und die lange überfällige öffentliche und ehrliche Diskussion.
Für zu Guttenberg wird es jetzt zunächst darauf ankommen, diese ehrliche und an der realen Lage orientierte sicherheitspolitische Diskussion zum Afghanistaneinsatz anzustoßen, um bei den Parlamentsentscheidungen im Dezember nachhaltig bessere quantitative und qualitative Rahmenbedingungen für den Einsatz unserer Staatsbürger am Hindukusch zu erwirken.
Für die Bundeswehr gibt es nach vier Jahren wieder Hoffnung!
Ich stimme Hans-Heinrich Dieter in seiner Bewertung zu. Vor allem würde ich mir von zu Guttenberg wünschen, dass er sich aktiv vor die Soldaten stellt und auch kommunikativ nicht länger so tut, als seien Deutschland und die Bundeswehr gewissermaßen von höheren Mächten in die Auseinandersetzung „hineingezogen“ worden. Es wird Zeit, nicht mehr nach Ausreden für eigenes Handeln zu suchen, sondern die eigene Vorgehensweise offensiv in den Medien zu vertreten.
Auch ich sehe dem neuen IBuK erwartungsfroh entgegen, der Koalitionsvertrag gibt ja recht weitreichende Pläne preis, nicht nur ein neues Laufbahnrecht und eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf nein es soll die gesamte Führungsstruktur mit all ihren Ämtern und Stäben geprüft werden.
Können wir hoffen das dann nicht nur die Wehrpflichtigen und Unteroffiziere gestrichen werden weil man vielen Stabsoffizieren immer noch Perspektiven bieten muss!
Kulturwandel gut und schön. Vielleicht wäre es auch angebracht, dass mit der veränderten Personalie Mal darüber nachgedacht wird, wie wir in Afghanistan das Blatt wenden oder gar bündnisgemeinsam erfolgreich werden oder – ich traue mich kaum es in Deutschland auszusprechen – uns durchsetzen, den Konflikt für uns entscheiden… Aua.
Der Testfall wird die ISAF-Mandatsverlängerung. Setzt er sich wirklich ein oder redet er nur schön daher??
Wie zu hören ist, hat der Pressestab sein Leittier verloren. Nach vier Jahren erfolgreich versteckter Kompetenz muss den verbliebenen Mitarbeitern wohl ein großer Glückwunsch ausgesprochen werden: Ihr habt es geschafft, die Freiheit des Denkens und des Wortes hat Euch wieder.
Die Zeit skrupelloser Machtarroganz ist zu Ende gegangen. Alle Angehörigen des Pressestabs werden wohl auf den Tischen getanzt und sich vor Freude besoffen haben (ausgenommen jene Zeitgenossen, die sich selbst durch charakterliche Schwäche auszeichnen und dem schwarzen Tyrann sklavisch und hundsföttisch dienlich waren).
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir hoffen für Euch mit, dass Eure Kompetenz nun wieder Beachtung findet und sich die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des BMVg zurück orientieren kann zu Transparenz und Wahrhaftigkeit. Vielleicht werden Eure Ideen für moderne Kommunikationswege zukünftig nicht länger unterdrückt und wir finden bald etwas von Euch und Eurem hoffentlich souveränen neuen Minister bei facebook oder twitter oder einfach nur in einem chatroom oder Ihr betreibt ein eigenes Blog!?
Auch wenn der neue Minister wieder dem schwarzen Block angehört, braucht er mit Blick auf seinen Vorgänger nicht viel, um dem Amt des Verteidigungsministers wieder Würde und Bedeutung zu verleihen. Vielleicht nimmt er dann auch die Informationspolitik seines Hauses ernst, betrachtet sie nicht nur durch eine parteilpolitische Brille und verzichtet auf die Fortsetzung der Ausübung des Amtes als Ich-AG.
Herzlichst, Eure Stefanie
Hallo Stefanie,
man darf es sicht nicht so leicht machen und die Arbeit des Pressestabes nur von der sogenannten Leitfigur abhängig machen. Klar – der Minister war kein moderner Medienmann. Auf der anderen Seite ist es doch bezeichnend, wenn er Interviews lieber mit öffentlichen als mit seinen Hausmedien führt, da er deren Professionalität nicht allzu sehr schätzt.
Mit dem neuen Minister an der Spitze bieten sich Chancen – sie wollen aber durch die Verwaltungsbürokratie und die Verteidigungsbeamten auch vorbereitet und genutzt werden. Und auch für den Apparat Pressestab BMVg gilt: Innovation und Modernisierung sind nicht die ihm innewohnenden Begriffe… die Medienarbeit im aktuellen Fall der Bombardierung zweier Tanklaster und deren Nachwirkungen spricht ja Bände – also : mehr Orientierung zum Kunden hin tut not – nicht das weitere Verbreiten von Staatsfernsehen- hier schaltet der Soldat sowieso eher ab.
Daher meine Aufforderung an die Berliner Presseverwalter: Nur Mut und alte Zöpfe konsequent abschneiden!!