Gesucht wird: Journalismus

Kritik an der sicherheitspolitischen Kommunikation und insbesondere der Kommunikation von Verteidigungsministerium und Bundesregierung ist ein inhaltlicher Schwerpunkt dieses Blogs. Dabei gerät bisweilen außer Acht, dass es nicht die alleinige Aufgabe dieser Organe ist, die öffentliche Debatte zu fördern. Mindestens ebenso wichtig ist eine kritische journalistische Öffentlichkeit, die sich substantiell mit sicherheitspolitischen Fragen auseinandersetzt. Was möglich ist, wenn diese fehlt, zeigen derzeit exemplarisch zwei Interviews des Vetreidigungsministers mit Blättern des Springer-Verlages, die – so ist zu fürchten – aus Sicht des Presse- und Informationsstabes vermutlich als Erfolg eingestuft werden. Kurz vor den Bundestagswahlen im September konnte sich Franz-Josef Jung in Bild (http://www.bild.de/BILD/politik/2009/08/09/verteidigungsminister-franz-josef-jung/bild-interview-afghanistan-soldaten.html) und Welt am Sonntag (http://www.welt.de/politik/ausland/article4327994/Minister-Jung-sagt-den-Taliban-den-Kampf-an.html) ausgiebig über seine vermeintlichen Erfolge und Ziele auslassen. Das sei ihm und seinem Sprecher gegönnt, selbst wenn es einige geben dürfte, die hoffen, dass nach den Wahlen ein anderer Minister respektive eine andere Ministerin Interviews gibt.

Stichwortgeber statt Journalisten
Was allerdings ernüchtert ist die Art und Weise wie diese Interviews von Seiten der Journalisten geführt worden sind. Insbesondere Ansgar Graw degradiert sich ohne Not zum Stichwortgeber für die inhaltlich gewohnt dürftigen Aussagen des Ministers. Nachdem Jung in der Bild behaupten durfte, die Soldatinnen und Soldaten quasi täglich in sein Nachtgebet einzuschließen, legt er nun nach und sagt, ihm mache das Amt des Verteidigungsministers vor allem wegen der Verantwortung für die Menschen große Freude. Es gibt – nicht nur in Berlin und auf Seiten der Opposition – viele Soldatinnen und Soldaten denen dies wie Hohn in den Ohren klingen dürfte. Denn – im Gegensatz zu Angela Merkel – verrät schon die Sprache Jungs (Könnte ein beflissener Medienwissenschaftler mal bitte die „Ich habe“-Formulierungen Jungs in den vergangenen vier Jahren zählen), dass er sich vermutlich nur für einen einzigen Menschen interessiert – sich selbst.

Im Seichten kann man nicht ertrinken
Von diesen persönlichen Eitelkeiten und Animositäten abgesehen, sind die beiden vorgenannten Interviews ein deutlicher Indikator für die mangelnde inhaltliche Tiefe der deutschen Afghanistan-Debatte. Warum sind deutsche Medien nicht in der Lage, Expertinnen und Experten, die teilweise schon Jahrzehnte in diesem Land leben, eine Plattform zu bieten, um die Diskussion nachhaltig zu führen? (man denke u.a. an den ehemaligen Oberstarzt Reinhard Erös oder Thomas Ruttig, Ko-Direktor des Afghanistan Analysts Network: http://aan-afghanistan.com/) Warum unterhalten die so geannten Leitmedien – allen voran die öffentlich-rechtlichen Sender – keine ständigen Büros in Afghanistan? Das alles mag sich leicht mit den Gesetzen der Aufmerksamkeitslogik und Medienökonomie erklären lassen, steht aber im eklatanten Widerspruch zu den erklärten Zielen und der angeblichen Bedeutung des Einsatzes. Und gerade der anglo-amerikanische Sprachraum, dessen Mediensystem noch viel umfassender vom Wandel betroffen ist, zeigt, dass eine vielfältige Debatte über ein „unattraktives“ Thema, ein großes Publikum findet – wenn man es erreichen will.

Davon losgelöst: Ein sehr guter Text über eine alternative Afghanistan-Strategie von Andrew Bacevich findet sich hier: http://www.commonwealmagazine.org/article.php3?id_article=2609

Es ist allerdings zu befürchten, dass er nicht nur wegen der fehlenden Sprachkenntnisse an den den entscheidenden Stellen nicht gelesen, geschweigen denn verstanden werden wird.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.