Klare Worte?

Nach dem drei weitere Soldaten in einem Gefecht in Afghanistan getötet wurden, scheint es, als käme nun eine längst überfällige Debatte ins Rollen. Der Erste, der klare Worte fordert, ist der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Reinhold Robbe. Im Interview mit Bild.de wünscht er sich unter anderem ein Bekenntnis von Kirchen, Gewerkschaften und der Wirtschaft zum Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan. Man muss Robbe zugestehen, dass er in den vergangenen Wochen sein Amt dazu genutzt hat, hierbei in Vorlage zu gehen. Dennoch: Vor der Forderung an andere gesellschaftliche Akteure müssen zunächst die politische und militärische Führung der Bundeswehr klare Worte finden, und auch den Bundestagsabgeordneten stünde es gut zu Gesicht, wenn sie sich zu ihrer Entscheidung, deutsche Soldatinnen und Soldaten in den Einsatz zu schicken, ebenso klar bekannten, wie beispielsweise die Linke diesen ablehnt.

Kampfeinsatz – mindestens

Das Gegenteil ist der Fall. Allen voran beweist Verteidigungsminister Jung, dass er die Zeichen der Zeit nicht erkannt hat, und lehnt es unter anderem im ARD/ZDF-Morgenmagazin ab, das Wort Krieg zu gebrauchen. Damit beweist er – wie in seinem Interview mit der Frankfurter Rundschau im Mai dieses Jahres erneut, dass er sich mit dem damit verbundenen Diskurs entweder nicht befasst hat, oder ihn schlicht nicht versteht (Kommentar dazu hier). Stattdessen klammert sich Jung fast schon verzweifelt an den Begriff der „Vernetzten Sicherheit“. So richtig und plausibel das zu Grunde liegende Konzept inhaltlich auch ist, es sind keine klaren Worte, die daraus folgen, sondern ein hilfloses Rumgeeiere. Das ist nicht alleine Jung anzulasten, dem in der Tat abzunehmen ist, dass ihn der Tod der deutschen Soldaten wirklich betroffen macht. Genau deshalb sind jetzt sowohl in der Regierung als auch im Verteidigungsministerium die (Kommunikations) Verantwortlichen gefordert, eine neue Sprachregelung zu finden, die allen Seiten gerecht wird.

Ein Formulierungs-Vorschlag:

Die Bundeswehr befindet sich in Afghanistan in einem Kampfeinsatz. Das Ziel dieses Einsatzes ist es, den zivilen Wiederaufbau zu ermöglichen und abzusichern.
(Und wenn man wirklich die Diskussion von vorne führen will)
Damit ist Afghanistan ein Beispiel für das, was Experten als neue Kriege bezeichnen. Darauf müssen wir unsere Soldatinnen und Soldaten ebenso wie die Bevölkerung vorbereiten.

Warum?

Davon losgelöst muss die Politik nach wie vor eine überzeugende Begründung für den Einsatz liefern. Die Landser-Roman-Rhetorik, der sich beispielsweise die Bild bedient, ist dabei die schlechteste aller Möglichkeiten. Wenn Rolf Kleine unter der Überschrift „Ihr Tod war nicht umsonst“ kommentiert, dass der Ruf nach einem Rückzug aus Afghanistan Verrat wäre: „Verrat an den jungen Männern, die für die Sache von Freiheit und Menschenrecht im Morast von Kundus ihr Leben gelassen haben. Wenn ihr Leben und Sterben einen Sinn gehabt hat, dann ist es ein Auftrag an uns alle: nicht nachzugeben, der Fratze des Terrors nicht zu weichen.“ ist das nichts anderes als der Versuch, den Einsatz aus sich selbst heraus zu legitimieren. Die Motivation, die sich hinter solchen Worten verbirgt, ist eher Rache als Recht und folgt in der Tat der Logik, dass der Krieg sich auch in diesem Bereich selbst ernährt. Statt blumiger Formulierungen brauchen wir klare Ziele für den Einsatz, ein deutliches Bekenntnis der politisch Verantwortlichen – allen voran der Bundeskanzlerin -, eine angemessene Ausstattung der Bundeswehr und eine deutliche Stärkung der Polizeikräfte und des zivilen Wiederaufbaus in Afghanistan. Wenn das geschieht, und die Erfolge sichtbar werden (an die verlorenen Jahre bis heute darf man dabei nicht denken) werden auch andere gesellschaftliche Gruppen bereit sein, sich zum Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan (und wo auch immer sonst in Zukunft) zu bekennen. Ansonsten wird uns nichts anderes übrig bleiben, als das politische Versagen mit einer Mischung aus Faszination und Entsetzen zu bestaunen.

4 Gedanken zu „Klare Worte?

  1. „Die Bundeswehr befindet sich in Afghanistan in einem Kampfeinsatz. Das Ziel dieses Einsatzes ist es, den zivilen Wiederaufbau zu ermöglichen und abzusichern. Damit ist Afghanistan ein Beispiel für das, was Experten als neue Kriege bezeichnen.“

    Das ist genial. Jetzt muss aber noch in Hausfrauensprache der Unterschied zwischen „Krieg“ und „neuen Krieg“ klargemacht werden. Ich sehe es als unmöglich an, der Bevölkerung und den Medien den Unterschied so zu vermitteln, dass sie nicht es nicht doch verkürzt wahrnehmen.

    …jetzt geben die da oben endlich zu, dass wir im Krieg sind…

  2. Weder „Vernetzte Sicherheit“, noch „Krieg“! Wo ist der gemeinsame Einsatz der anderen Ressorts, der die Vorstellungen des Konzepts erfüllt und die Zusagen erfüllt?
    Von einer den Begriff „Krieg“ rechtfertigenden gemeinsamen Anstrengung ist nichts zu sehen und würde durch Raabes Palastorchester so oder so vergeigt werden.
    Das BMZ baut Straßen in der falschen Provinz, der Posten des AA in (!) den PRT ist meist vakant, das BMI stolpert im Kosovo herum und die Entwicklungsgelder des Finanzministers reichen bei Weitem nicht an die militärischen Kosten heran: Kein „unity of effort“. Von der Peinlichkeit des Versuches afghanische Polizisten durch deutsche Polizisten auszubilden, ganz zu schweigen. – Nur die Soldaten, die sind vor Ort. So, wie zugesagt.

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