„Ist der Ruf erst ruiniert, spricht´s sich völlig ungeniert.“ So oder so ähnlich scheint derzeit die morgendliche Parole im Bundesverteidigungsministerium zu lauten. Ganz gleich über welches Thema die Medien berichten, wir lesen das nicht gründlich, sondern hauen erstmal vorsorglich eine Erklärung raus. Das jüngste Beispiel dieser intellektuellen Minderleistungen befasst sich mit einer Äußerung des Verteidigungsministers Thomas de Maizière. Die BILD-Zeitung hatte am 10. August unter der Überschrift „De Maizière unterstellt seinen Soldaten Unterforderung“ über einen Besuch des Ministers beim Kommando der Luftwaffe in Berlin-Gatow berichtet, bei dem der Minister gesagt hatte: „Manchmal ist ein Burn-out auch das Ergebnis von Unterforderung.“ Dieser Satz sei, so das Ministerium, aus dem Gesamtzusammenhang gerissen und sinnentfremdend genutzt, um eine Geschichte zu konstruieren.
Na, das überrascht mich aber sehr, dass die BILD-Zeitung angeblich Aussagen aus dem Gesamtzusammenhang reißt und sinnentfremdend nutzt, um Geschichten zu konstruieren. Dumm nur, dass der wirkliche Gesamtzusammenhang, den die Sprechererklärung zu geben glaubt, die Sache nicht besser macht. Im Gegenteil.
Auf die Frage des Welt Redakteurs Thorsten Jungholt: „Nun kommen vom Bundeswehr-Verband oder Verband der Beamten in der Bundeswehr ja immer sehr eindeutige Stimmungsbilder, die ich zitiere erst einmal: „Stimmung ist so schlecht wie seit 40 Jahren nicht mehr, Burn-out in der Truppe“ was halten Sie von diesen Einschätzungen der Gewerkschaft?“, antwortete de Maizière angeblich wie folgt: „Sie sagen zu Recht das sind Gewerkschaften. Gewerkschaften und Verbände weisen natürlich zu Recht auf die kritischen Teile hin. Das ist verständlich und die gibt es auch. Es gibt solche wirklich sehr schweren Situationen gerade bei Standorten die wir komplett schließen oder von lieb gewonnenen Gewohnheiten Abstand nehmen müssen. Es gibt auch die Situationen, wo die alten Verfahren nicht mehr laufen und die neuen Verfahren noch nicht gut laufen. Das ist ein unvermeidlicher Prozess im Rahmen einer solchen großen Veränderung.“
„Was das Burn-out angeht so teile ich diese Einschätzung nicht. Es gibt in der Tat zum Teil sehr einsatzbelastete Teile der Bundeswehr, dazu gehört zum Teil auch das fliegende Personal – das ist wahr – aber gerade da sehe ich eine hohe Motivation und eine hohe Bereitschaft das Letzte zu geben, um ihre Kameraden zu transportieren oder im Einsatz ihren Dienst zu tun. Und wir haben gesehen wie hoch motiviert die Soldatinnen und Soldaten bei der Bewältigung der Flutkatastrophe waren.“
„Manchmal ist auch ein Burn-out das Ergebnis einer Unterforderung oder jedenfalls verbunden mit dem Eindruck nicht richtig gebraucht zu werden und eine Situation zu haben wo man etwas sinnloses tut. Das ist zum Teil bei der Neuausrichtung auch unvermeidlich. Wenn man lange in den alten Strukturen ist und eigentlich schon in den neuen Strukturen lebt. Also ich sehe durchaus die kritischen Elemente die der Bundeswehr Verband sieht, aber ich sehe das ist nicht das vollständige Bild der Bundeswehr.“
Das heißt im Klartext:
– nur Teile der Bundeswehr sind hochbelastet, die Masse aber nicht.
– bei der Neuausrichtung ist es unvermeidlich, etwas sinnloses zu tun, und weder ich als Minister noch meine Führungskräfte haben die Absicht, daran etwas zu verändern, denn es ist naturgegeben.
– Gewerkschaften und Verbände weisen auf kritische Teile hin, während ich und meine Stäbe uns die Welt weiter malen, wie sie uns gefällt.
– Wer das nicht versteht, hat keine Ahnung. (siehe auch die Diskussion bei Augengeradeaus)
Manchmal muss man der BILD-Zeitung fast dankbar sein, dass sie Sätze aus dem Gesamtzusammenhang reißt und sinnentfremdend nutzt, um eine Geschichte zu konstruieren, denn damit gibt sie intellektuell überforderten Pressesprechern die Gelegenheit noch viel schönere Geschichten zu konstruieren. Die Sprechererklärungen sind Dokumente des Scheiterns einer professionellen Pressearbeit.
Und wo wir gerade beim Thema sind. Eine Sprechererklärung wünsche ich mir zum Titel des Filmes zum Kunduz-Bombardement , der zunächst ams 30. August auf ARTE und dann am 4. September im Ersten ausgestrahlt wird. „Eine mörderische Entscheidung“ ist nicht nur reißerisch, sondern in Bezug auf Oberst Georg Klein ehrabschneidend. Aber vermutlich werden wir in diesem Land noch lange darauf warten müssen, dass sich ein Minister vor einen Soldaten stellt.
Vielen Dank für diese lange überfällige Einordnung. Die Sprechererklärungen des Verteidigungsministeriums haben in den vergangenen Monaten an Masse zu und an Qualität erkennbar abgenommen.
Damit befördert es unter den Kollegen vor allem eins: Seinen Glaubwürdigkeitsverlust.
Wie ich selber schmerzlich in der Wirtschaft erleben musste, bildet die Bundeswehr einfach ungenügend das Element „Pressemitteilung“ aus. Die klassische Art und Weise, wie ein Unternehmen (auch die Bundeswehr) mit der Öffentlichkeit kommuniziert, will beherrscht werden. Dazu reicht das rudimentäre Training an der AIK einfach nicht aus. Vor der Kamera und im Radio sind alle gut trainiert – aber mit der Feder – statt dem Degen – da hapert es doch.