Alle gegen den Minister?

Bemerkenswert, welche Aufmerksamkeit dem feierlichen Gelöbnis von 400 Bundeswehrsoldaten heute am 20. Juli 2012 zu Teil wird. Verteidigungsminister Thomas de Maizière hatte sich mit dem Bundestagspräsidenten Norber Lammert darauf verständigt, das Gelöbnis in diesem Jahr nicht – wie in den Jahren 2008-2011 – vor dem Reichstag sondern im Bendlerblock durchzuführen. Die Kritik, die de Maizière nun entgegenschlägt, überrascht in mehrfacher Hinsicht. Sie kommt spät, heftig und in einer bemerkenswerten Einigkeit von Parteifreunden und politischer Gegner.

„Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee und kein Ministerialheer“, sagte der Wehrbeauftrage des Deutschen Bundestages, Hellmuth Könighaus, der Tageszeitung „Die Welt“. Bernd Siebert, Mitglied des Verteidigungsausschuß fordert in einer Pressemitteilung: „Die Bundeswehr gehört in die Öffentlichkeit“ und kritisert seinen Parteifreund de Maizière: „Die Entscheidung, das Gelöbnis am 20. Juli nicht vor dem Reichstag stattfinden zu lassen, ist falsch.“ Auch der CDU-Bundestagsabgeordnete Roderich Kiesewetter, Oberst a.D. und Präsident des Verbands der Reservisten der Deutschen Bundeswehr, liegt mit dem Minister in dieser Sache über Kreuz. Über den Kurznachrichtendienst Twitter bezieht er eindeutig Stellung: „Auch #Reservistenverband ist sich einig: das Feierliche Gelöbnis 20. Juli gehört öffentlich vor den #Reichstag und nicht in den #Bendlerblock“. Die beiden CDU-Politiker scheinen von der Verlegung ebenso überrascht zu sein, wie Rainer Arnold, verteidigungspolitischer Sprecher der SPD. Er habe von dieser Regelung nichts gewusst, und erst mit der Einladung davon erfahren, dass das Gelöbnis im Bendlerblock stattfinde, sagte er gegenüber Welt Online.

Die Kritik, die sich nun am Ort des Gelöbnis entzündet hat vermutlich tiefere Ursachen. Auch im Bendlerblock sind die Soldaten nicht der Öffentlichkeit entzogen. Er liegt vielleicht etwas verkehrsungünstig. Seine symbolische Bedeutung in der Gedenkstätte deutscher Widerstand dagegen ist mindestens ebenso hoch, wie die Wiese vor dem Reichstag. Ja, die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee, und angesichts der Risiken, denen Solaten sich aussetzen, ist es richtig und wichtig, die Parlamentarier regelmäßig auch sichtbar daran zu erinnern, welche Konsequenzen ihre Entscheidungen über den Einsatz der Armee haben können. Allerdings sind eben diese Parlamentarier nun in der Sommerpause.

Die Kritik ist daher grundsätzlicher zu verstehen. Es ist eine Kritik am Politikstil Thomas de Maizières, der mit der Führung des Verteidigungsministeriums auch die alleinige Deutungshoheit über die Bundeswehr beansprucht. Bislang ist es ihm und seinem Stab bemerkenswert gut gelungen, diese vor allem auch kommunikative Führungsrolle auszufüllen. Nun werden aber erste Risse deutlich. Vor allem die groß angelegte Bundeswehrreform will nicht so recht in Schwung kommen.Weder gelingt es dem Ministerium bisher kritische Stimmen zu überzeugen, noch die ambitionierten Pläne mit Leben zu füllen. Vor allem der umfassende Personalabbau dürfte sich als Hindernis erweisen. In der Truppe rumort es. Sei es, weil auch leistungsfähige Soldaten keine Karrierperspektiven mehr sehen, oder weil die Pakete, die ausstiegswilligen Angehörigen schlicht nicht attraktiv genug sind. Diese Aufgabe, weit entfernt von der Symbolpolitik eines Gelöbnisses, wird der eigentliche Prüfstein für de Maizière werden.

7 Gedanken zu „Alle gegen den Minister?

  1. Ich finde die Kritik am Gelöbnis im Bendlerblock vollkommen absurd. Vor dem Reichstag sollten regelmäßig solche Veranstaltungen stattfinden. Aber am 20. Juli ist der Bendlerblock die richtige Wahl. Wo sonst wird für einen Soldaten die Bedeutung von Gelöbnis bzw. Eid und Verfassungstreue so bewusst wie dort?

    Die Kritik am Minister mit der Wahl dieses Ortes zu verbinden, ist unangebracht. Man mag den Politikstil nun gut finden oder nicht, aber es gibt sicherlich genügend andere Möglichkeiten, diese zu äußern.

    Was die Probleme bei der Umsetzung der sogenannten Reform betrifft, so überrascht dies nicht. Denn bislang war seit Ende des Kalten Krieges noch keine Reform der Bundeswehr von Dauer – weil noch nie eine zu Ende gedacht wurde. Vielmehr spielt offenbar ausschließlich die Kassenlage eine Rolle, während die Belastungen und Anforderungen steigen.

    In Deutschland ist es offenbar schlicht nicht möglich, die Streitkräfte so zu reformieren, dass eine nachhaltige Planung über den Tag hinaus möglich wird. Wie schnell sich die Lage ändern kann, hat man schon öfter in der Geschichte erlebt. Aber schon bei Themen wie der Besteuerung von Soldaten möchte man sich einfach nur an den Kopf greifen.

  2. @Zentraldenker
    Zunächst einmal muß ich zugeben, dass ich ein strikter Gegner des Konzeptes der sogenannten „Parlamentsarmee“ bin. Ich habe sowohl inhaltlich, als auch verfassungsrechtliche Zweifel daran und glaube, dass es eher ein Lippenbekenntnis für Sonntagsreden und Gelöbnisreden ist, als etwas mit dem eine echte Armee etwas anzufangen weiß.

    Darüber hinaus bin ich ein glühender Bewunderer des 20. Juli und glaube, das es kaum einen „heiligeren“ Ort für einen deutschen Soldaten geben kann als den Bendlerblock.

    Dennoch ist mir unverständlich warum der Minister sich in diesem Jahr entschieden hat von einer Durchführung vor dem Reichstag abstand zu nehmen.

    Nachdem wir in DEU leider kaum repräsentative und öffentlich wahrgenommene Ereignisse unter Beteiligung der Bw haben (mal von den Trauerfeiern nach Einsatzgefechten abgesehen), ist das jährliche Gelöbnis unmittelbar vor dem Reichstag vielleicht das einzige herausragende „Schauspiel“ in dem die Bw sich präsentieren kann.

    Und das wird jetzt leichtfertig verspielt?!

    Verstehe ich nicht…

  3. Das mit der Parlamentsarmee finde ich auch sehr unzeitgemäß. Gerade diejenigen, die immer fordern, dass die Bundeswehr in europäische Strukturen integriert werden muss (oder sogar in diesen aufgehen soll), geben nie eine Antwort darauf, wie das aussehen soll. Vor allem in einem Parlament, wo nur ein Bruchteil der Abgeordneten überhaupt gedient hat.

    Einen Vorgeschmack haben wir in Libyen bekommen, wo die Marine sämtliche Schiffe schnell aus dem Krisengebiet abzog, nach der glorreichen Fehlleistung der Regierung im Sicherheitsrat. Dabei wäre man sicherlich auch um den „Kampfauftrag“ locker herumgekommen, zumal wir mit Luftstreitkräften (vor allem in der maritimen Rolle) nicht gerade gesegnet sind.

    Ohne ein vernünftiges Entsendegesetz, das es der Bundesregierung ermöglicht, kurzfristig und ohne dramatischen Abstimmungen im Bundestag (in einem gewissen Rahmen) militärisch tätig zu werden, ist längst überfällig. Der Grundton bei der Parlamentsarmee soll ja im Prinzip nur denen ein gutes Gefühl geben, die sich dafür fürchten, man könne die Bundeswehr missbrauchen. Nur – dieses Problem besteht doch grundsätzlich, egal WER darüber abstimmt. Gerade die Angehörigen des Parlaments setzen sich mit den Konsequenzen ihres Tuns kaum auseinander.

    Dabei geht es mir wohlgemerkt nicht um irgendeine Kanonenboot-Politik oder sonstige Dummheiten. Aber was nützen alle tollen NATO-Konzepte für Schnelle Krisenkräfte, wenn wir im Zweifel schon die Soldaten im AWACS abziehen müssen. Dabei lassen sich manche Konflikte schon im Vorfeld durch reine Präsenz verhindern oder abmildern.

    Natürlich soll damit kein Freibrief für eine Regierung entstehen, Kriege vom Zaun zu brechen. Aber darum geht es auch gar nicht. So wie andere Demokratien es auch schaffen, verantwortlich mit ihren Möglichkeiten umzugehen, ist das auch in Deutschland kein Ding der Unmöglichkeit. Ich behaupte sogar, dass diese Variante sehr viel verantwortlicher wäre, was das Leben und die Gesundheit unserer Soldaten angeht.

  4. @Zentraldenker
    Volle Zustimmung!

    Insbesondere hierfür:
    „Der Grundton bei der Parlamentsarmee soll ja im Prinzip nur denen ein gutes Gefühl geben, die sich dafür fürchten, man könne die Bundeswehr missbrauchen. Nur – dieses Problem besteht doch grundsätzlich, egal WER darüber abstimmt. Gerade die Angehörigen des Parlaments setzen sich mit den Konsequenzen ihres Tuns kaum auseinander.“

  5. „Auch im Bendlerblock sind die Soldaten nicht der Öffentlichkeit entzogen. “

    Diese Einschätzung teile ich nicht. Der Bendlerblock ist eine militärische Liegenschaft. Der Zugang zu einer militärischen Liegenschaft ist geregelt und die Regelung sieht nicht vor, „da einfach mal hinzugehen“

    Auch vor dem Reichstag ist und bleibt das Öffentliche Feierliche Gelöbnis eine „geschlossene Veranstaltung“

    Mir drängen sich da andere Fragen auf.

    Ist der Begriff „Feierliches Gelöbnis“ bei ausschließlich freiwillig dienenden Soldaten (und bei einer wechselseitig vereinbarten Probezeit) noch der zutreffende?

  6. Warum sollten Freiwillige nicht feiern? Richtig ist allerdings, dass sie es nicht vor Ende der Probezeit tun sollten.

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