Medienoffensive und Journalisten als Ego-Shooter

„Krieg ist scheiße, aber der Sound ist spitze.“ Den Text, der 1989 diverse Initiationsriten in die Fallschirmjägertruppe der Bundeswehr begleitete, singen wir heute noch. Allerdings nicht wir armen misshandelten damaligen Rekruten. Dafür umso lauter die so genannten Journalisten. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass viele von ihnen die ISAF-Offensive unter dem klingenden Namen „Gemeinsam“ (Moshtarak) ein bisschen geil finden. (Man verzeihe mir diese wenig distanzierte Ausdrucksweise. Wer klinisch reine Texte lesen möchte, greife zur FAZ.)

In diesem kollektiven medialen „Jetzt geht´s los“, muss man sich den Journalisten als Ego-Shooter vorstellen. Deutlich wird das unter anderem an der unkritischen Übernahme der Sprachfigur, dass man nun „ins Herz der Finsternis“ vorstoße (Mehr als 1.300 Treffer in Google News“, Abfrage vom 15.2.2010). Dahinter verbirgt sich ein Appell an tief verankerte popkulturelle Instinkte. Die bekannteste Nacherzählung der gleichnamigen Romanvorlage von Joseph Conrad ist der Film Apocalypse Now von 1979. Er gilt vielen als Antikriegsfilm. Das ist eine Lüge. Für die meisten Soldaten, gibt es keine Antikriegsfilme. Im Gegenteil: In einem militärischen Umfeld sind diese Filme gleichermaßen Aufputschmittel wie Katharsis. Vor allem aber stiften sie Hoffnung, denn sie erzählen immer die Geschichte derer, die den Krieg überleben – oder aber einen, wenn nicht sinn-, so doch ehrenvollen Tod sterben.

Moshtarak ist auch eine Inszenierung, eine Medienoffensive in einem Kommunikationskrieg. Dass solches in der aktuellen Berichterstattung niemand dechiffriert, zeigt, in welchem erbärmlichen Zustand sich der deutschsprachige Journalismus befindet.

7 Gedanken zu „Medienoffensive und Journalisten als Ego-Shooter

  1. Wie immer gibt es zwei Seiten zu dieser Geschichte. Zunächst muss man der Kommunikationsabteilung von ISAF (von der Größe her fast schon eine Public Affairs Brigade) Tribut zollen, die ihre Sicht der Dinge sauber verkauft hat. Das man mit „Herz der Finsternis“ eine Tagline gewählt hat, die im Gedächtnis bleibt ist handwerklich sauber. Und dass man den Informationsraum derart flutet, dass andere Sichtweisen untergehen – soll man das wirklich beklagen? Hand aufs Herz, würde man vermutlich, Ressourcen vorausgesetzt, doch ähnlich machen. Die andere Seite der Geschichte, die mediale, ist hier zutreffend beschrieben: wer von der Riege deutscher Journos hat denn Zugang zu der Operation im Süden (bisher habe ich hier nur den dpa Mann Can Merey auf dem Schirm) und wer hätte denn den Background, diese Geschichte auseinander zu nehmen und die Einzelteile zu analysieren? Damit meine ich nicht nur die militärischen Aspekte sondern auch wirtschaftliche (Drogenanbau) und sozialwissenschaftliche (wer unterstützt warum die Aufständischen?). Vielleicht mögen wir ja gemeinsam auf die Analyse von Lothar Rühl warten.

  2. @Wolfgang Schmidt: Nur zur Klarstellung: Das hätte ich mit meiner Public Affairs-Brigade natürlich auch so gemacht. Ich hätte nur nicht zu hoffen gewagt, so billig davon zu kommen. Wirklich ärgerlich ist, dass bei der nächsten Schweineleber das Pendel ebenso unkritisch in die andere Richtung ausschlägt, denn wenn Substanzlosigkeit zum Mainstream wird, ist meine License to Operate immer gefährdet, selbst durch medial aufgeblasene Nichtigkeiten.

  3. Ja, got it. Ich denke, die Kalkulation bei ISAF ist ganz einfach: first story sticks. Und wenn man als Journo keinen Zugang zur AOO hat, nimmt man halt das, was einem ISAF bietet. In Deutschland jedenfalls. Oder anders gefragt: wie viele gute Artikel zu Helmand haben Sie heute in deutschen Medien gelesen? Welcher Artikel erklärt uns wie shape oder clear oder hold oder build funktioniert? Und allgemein gefragt: interessiert das in Deutschland jemanden (jetzt mal abgesehen von den ca. 100 Mitgliedern der strategic community)?

  4. Trotz aller Inszenierung und Propaganda klingen in der Berichterstattung wichtige Informationen mit. Zum Beispiel, dass das Zusammenspiel zwischen Militär und Aufbau (hold and build) anscheinend zum ersten mal in aller Konsequenz versucht werden soll. Man wünscht sich eine solche Erkenntnis einmal im Norden und eine derartige Zusammenabeit der deutschen Ministerien (BMVg und BMZ). Auch wenn das Ganze amerikanisch ideell wirkt steckt doch mehr Sinnhaftigkeit dahinter als ein Luftangriff auf die Zivilbevölkerung unter Wagners Walkürenritt.

  5. @Micha: nicht falsch verstehen. Ich finde den Grundansatz dieser Operation iO. Die Frage bleibt, was kommt nach der groß angekündigten Offensive. Es ist eine Geschichte, so was groß mit Talking points anzukündigen. Der Lackmustest kommt, wenn die militärischen Operationen vorbei sind.

  6. @ All…. Worüber regt man sich auf ?? Wie war doch der letzte Satz des Blogs: „..erbärmlicher Zustand (des)…deutschsprachige(n) Journalismus…“ Da wundert es nicht, wenn man mit einem dekadenten Esel, Schweineleber und einer total besoffenen Bundeswehr mehr Aufmerksamkeit erzielen kann.

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