Wenn Gefühle hochkochen

Nein, die so genannte Anti-Kriegs-Komödie auf Pro7 habe ich nicht gesehen. Abgesehen davon, dass ich überzeugt bin, dass es keinen einzigen Anti-Kriegs-Film gibt, weil jeder Film, der auch nur ein kleines bisschen soldatische Wirklichkeit abbildet zumindest durch Soldaten als Bestätigung ihres Tuns verstanden wird, lohnt es sich vermutlich auch nicht, diesen Film zu sehen. Dennoch wird es jetzt interessant. Nicht der Film, sondern der Diskurs, der sich um ihn entspinnt. Laut Bild-Zeitung haben Bundeswehrsoldaten einem der Darsteller des Films, Wilson Gonzales Ochsenknecht, Morddrohungen geschickt.

Warum?

Vorab: Natürlich sind diese Morddrohungen zu verurteilen. Ebenso übrigens wie die Verwendung des Begriffes „schwul“ als Beleidigung, der einen interessanten Einblick in die heteronormative und schwulenfeindliche Gedankenwelt der Briefeschreiber ermöglicht, die in der Bundeswehr keine Seltenheit sind, und die ich persönlich für gravierender halte als die lächerlichen Morddrohungen.

Warum also diese Drohungen?

Wilson Gonzales Ochsenknecht ist einer dieser C bis B-prominenten Boulevard- und Talkshowbewohner, aus denen sich das Personal für einen großen Teil des Journalismus a la Bild, Gala, DSDS, Lanz, etc. rekrutiert. Davon kann man halten, was man will. Fakt ist: Diese Medien sind insbesondere für junge Soldatinnen und Soldaten eines der bevorzugten Fenster zur Wirklichkeit.

„Was wir über die Welt wissen, wissen wir über die Massenmedien“, hat der Soziologe Niklas Luhman die Rolle der Medien in und für die Gesellschaft beschrieben. Das, so meine Hypothese, bedeutet auch, dass das, was nicht in den Medien ist, nicht ist. Und weil die Massenmedien nach wie vor eine der wesentlichen Anerkennungsplattformen unserer Gesellschaft sind, setzen wir, das Publikum, Präsenz in diesen Medien mit Anerkennung und einer – wenn auch manchmal seltsamen – Art von Wertschätzung gleich. Kurz: wer im Fersehen ist, ist wichtig und anerkannt.

Ja, dieses Bild ist verzerrt, aber genau hier muss man ansetzen, um zu verstehen, warum die Gefühle der Soldaten hochkochen. Ein wesentlicher Grund: Soldaten sind, vor allem gemessen an den Risiken und der Bedeutung ihres Berufes, in den Medien unterrepräsentiert. Ich behaupte, dass diese mediale Missachtung eine der Quellen ist, aus denen sich der Frust der Soldaten speist. Eine zweite Quelle ist die Art der Medienpräsenz der Soldaten. Das Medienbild, auch das nachrichtliche, entspricht nur sehr selten dem Erleben der Soldaten. Ich bin überzeugt, dass die meisten Soldaten so uneitel sind, dass sie auf eine größere öffentliche Präsenz gerne verzichten würden – wenn über das, was sie tun und erleben, nicht so viel Scheiß erzählt und geschrieben werden würde.

Die Berichterstattung aber wird durch die Erzählungen der Politik und des Bundeswehrverbandes geprägt, die ihre Stories platzieren. Der „einfache“ Soldat kommt bislang kaum zu Wort und ist nicht Teil der großen Erzählung. Das ändert sich zwar – siehe die publizistischen Aktivitäten einzelner Veteranen und des gleichnamigen Verbandes – und auch das Ministerium bewegt sich langsam in diese Richtung mit Kampagnen wie Wir.Dienen.Deutschland. Im Großen und Ganzen wird die Bundeswehr aber zu wenig und zu schlecht „vermarktet.“

Vermarktet steht deshalb in Anführungsstrichen, weil es nicht um einfaches Herausposaunen von Werbebotschaften geht, sondern um eine professionelle und nachhaltige Kommunikationsstrategie, in deren Mittelpunkt die Anerkennung soldatischen Dienens steht. Wie das mit großer Selbstverständlichkeit geht, zeigen zahlreiche Beispiele aus anderen Ländern. Dazu braucht es nicht eine Inszenierung a la Hollywood wie in den USA, obwohl diese auch zahlreiche deutsche Soldaten anspricht und fast schon Sehnsüchte weckt. Auch in Großbritannien, den Niederlanden, Frankreich und den skandinavischen Staaten unterstützt das Militär die Herstellung positiver Images.

Das deutsche Ministerium dagegen verweigert sich dieser Professionalisierung des Kommunikationsmanagements. Mehr noch: es blockiert beispielsweise gezielt Initiativen professioneller Filmproduzenten, die sich des Themas Bundeswehrs annehmen wollen. Ein Ergebnis dieser Blockadehaltung sind Filme wie die eingangs genannte Pro7-Komödie. Sie ist nicht nur inhaltlich falsch – Komödien und Filme dürfen das, sie sind keine Dokumentarfilme -, sondern bildet einen Kristallisationspunkt für den Frust vieler Soldaten, eben weil dort mit viel Aufwand und Marketing ein Bild gezeichnet wird, zu dem es kein professionelles Gegenangebot gibt.

Für die dümmlichen Reaktionen einzelner Soldaten auf diesen Film ist damit das Ministerium mitverantwortlich, weil es in den vergangenen Jahren – trotz zahlreicher Angebote – versäumt hat, soldatisches Dienen auch medial angemessen darzustellen.

Nachtrag:

Was man jetzt tun könnte: Ochsenknecht zu 261 oder einer anderen Einheit, die gerade aus dem Einsatz gekommen ist, einladen und unter medialer Begleitung mit den Soldaten diskutieren lassen.

14 Gedanken zu „Wenn Gefühle hochkochen

  1. Wie ich in den Facebook-Gruppen mitlesen konnte, bezog sich die Kritik am Film nicht nur auf die erwartungsgemäß miserable Darstellung sondern mehr noch auf den Zeitpunkt des Films.

    Die Nähe zum Karfreitag, an dem 2010 Kameraden fielen. Der April überhaupt, der einer der verlustreichsten Monate im Afghanistaneinsatz gewesen ist. Und nicht einmal ein Jahr nach dem Anschlag auf General Kneip und weitere gefallene Kameraden.

    Die vorhandene, aber fast nur am Rande enthaltene Kritik an den politischen Aspekten des Einsatzes kann nicht aufwiegen, dass wieder einmal das Bild einer „Deppentruppe“ gezeichnet wird, die allenfalls mit Bauernschläue und krimineller Energie etwas halbwegs sinnvolles erreicht.

    Eine authentische Darstellung bringt keinen Gefallenen zurück zu seiner Familie, aber Politik und Bundeswehrführung schulden der Bevölkerung Antworten und wahrheitsgemäße Schilderungen.

    Pro 7 hat die Kritik am Sendetermin nicht zum Anlass genommen, die Ausstrahlung zu verschieben – wohl auch, weil zu erwarten war, dass auf einem anderen Sendeplatz der Flop noch größer gewesen wäre, als ohnehin schon.

    Diskussionen über Sinn und Zweck dieser Inszenierung gab es nicht – keine Talkshow greift auf, warum so ein Film aus Sicht der Macher sein muss. Demnach kann ich nur finanzielle Interessen unterstellen.

    Noch dazu geklaute“ Witze“:
    „Mensch, ich werde Vater – Sie ist im dritten Monat“
    „Ähm, ja, du, wir sind aber schon seit vier Monaten hier!“
    „Ach, da wird es eine Erklärung für geben …“

    Ich muss mit einer bösen Frage enden:

    Wie groß wäre der Aufschrei, wenn rund um die Jahrestage der Amokläufe in Winnenden und Erfurt eine Parodie gezeigt würde, die sich mit Schüleramokläufen auseinander setzt?

  2. Vorab zum Nachtrag:

    Was soll das bringen? Der Junge ist Schauspieler und hat die Rolle so angenommen, wie er wahrscheinlich auch eine Rolle zu „Wilde Kerle 25“ angenommen hätte. Warum soll man ihn jetzt auf einen heißen Stuhl einsatzerfahrenen Soldaten gegenüber setzen, die evtl. auch noch einen Hals auf ihn und die gesamte Pro7-Produktion schieben? Nur weil er Morddrohungen bekommen hat? Was kann er denn dafür? Er hat schlichtweg seinen Job gemacht. Da könnte man auch jede andere Haupt- oder Nebenrolle einladen.

    Und sonst:

    Ich habe den Film gesehen. Und natürlich war’s ein Klaumauk, aber die entscheidenden Sympathieträger waren Soldaten, einer von ihnen ist gefallen, das Thema Verwundung wurde auch behandelt. Gefecht, Fahrzeuge unter Beschuss und das Auffahren auf eine alte Landmine wurde ebenso dargestellt wie die Langeweile im Lager, die überbordende Bürokratie und den Zweifel am Sinn des Einsatzes.

    Vielleicht war der Film ziemlich trashig, dafür war’s ja auch eine Pro7-Komödie, aber unterm Strich ist die Bundeswehr nicht schlecht weggekommen.

    Bleibt der Sendezeitpunkt. Auch da kann ich die Aufregung nicht ganz nachvollziehen. Wir werden in den nächsten Jahren wahrscheinlich noch weitere Kameraden verlieren. Wenn wir da zu jedem Jahrestag den Verzicht auf Ausstrahlung solcher Produktionen verlangen, dann werden mögliche Sendezeiträume recht knapp. Die Wahl des Sendedatums hat sicher nichts mit Respektlosigkeit zu tun.

  3. @Martin Böcker

    Mag sein – aber wenn man doch so ein Protest-Bedürfnis hat, warum lief der Film dann nicht rund um den Termin der Mandatsverlängerung?

    Sorry, aber hier wird – aus meiner Sicht – schlichtweg kalkuliert, wann sich genügend Lautstärke rund um den Film erzeugen lässt.

  4. @Martin Böcker: Sehr richtig, man sollte das nicht überdramatisieren. Was wir aber sehen, ist eine kurze mediale Erregung. Die kann man im Sinne der Soldaten nutzen.

  5. @ Daniel Lücking:

    Das geht mir zu sehr in Verschwörungstheoretische. Der Film lief vermutlich zu diesem Zeitpunkt, weil es den kommerziellen Interessen eines kommerziellen Senders am ehesten entsprach. Das hat weder mit einem Jahrestag gefallener Soldaten noch mit einer Mandatsverlängerung zu tun – vermute ich.

    @ Sascha Stoltenow:

    Ja, man kann mediale Erregungen immer nutzen, aber in diesem Fall: Wozu?

  6. @Martin Böcker:
    – um über die realen Belastungen und die Leistungen der Soldaten hinzuweisen
    – um das negative Medienbild „Soldaten drohen Schauspieler zu ermorden“ zu kontern
    – um auf Defizite im Kommunikationsmanagement der Bundeswehr hinzuweisen
    – …

  7. Wahrscheinlich werden die Ochsenknechts das mediale kurzfristige Interesse im Endeffekt besser genutzt haben (Twitter: WillyWonkaw: „werde mich nach Stunden mal wieder vor die Tür trauen, um mir ein (in Zahlen: 1) Wochenendbier zu holen.“) Lol

  8. Anmerkung: Um die Kommunikation der Bundeswehr nach Aussen zu verbessern, wurder der Studiengang „Wirtschaft und Journalismus“ an der Universität der Bundeswehr in München eingeführt.

  9. Als erstes möchte ich hier mich mal „outen“ als jemand der den Film gesehen hat. Ich habe im Vorfeld die Diskusion mitbekommen und allein aus diesem Grund den Film gesehen, denn im Gegensatz zu vielen meiner Kameraden fand ich den Grundgedanken vom „Aus-Prinzip-nicht-schauen“ ziemlich engstirnig, denn nur wenn man von etwas Ahnung hat kann man sich auch eine Meinung bilden.
    Der Film hat mich, wie erwartet, nicht vom Hocker gerissen! ABER ich hab nach dem Film diese „Welle“ erst recht nicht verstanden. Denn(!), wer sich über diesen Film aufregt (ich rede nicht vom schauspielerischen Talent), derjenige sollte dann bitte, aus Prinzip, auch „Ein Bund fürs Leben“ kritisieren!!!
    Der Film war als Komödie gekennzeichnet und hatte sehr viele militärische Fehler (wenn man sich jedem einzelnen widmen wollen würde, bräuchte man wohl einen eigenen Blog). Diese Fehler schiebe ich allerdings weder der Produktionsfirma, dem Regiseur, Drehbuchautor oder den Schauspielern in die Schuhe, denn ich bin der festen Überzeugung sie wissen es schlicht weg nicht besser! Nein, meiner Meinung nach liegt der Fehler, wie schon angesprochen allein beim Ministerium! Denn dieses verkennt seit Jahren das Potential des kostenfreien Marketings durch Filme (ja auch solche Filme!).
    Anstatt viel Geld in Kampagnen zu stecken die ehr das Prädikat „Gut gemeint ist nicht automatisch gut!“ verdient haben, sollte man einen Militärberater auf Anfrage bereit „stellen“!

    Und ob der Sendetermin schlecht gewählt war oder gut kalkuliert, im Endefekt hat jeder davon etwas positives für sich mitnehmen können. Und ja, auch wir Kameraden und Soldaten haben etwas davon gehabt! Denn ein Teil Deutschlands hat mal wieder an uns gedacht und sich Gedanken gemacht was wir alles für unser Land tun.

    In diesem Sinne, einen schönen Abend!
    Lg Mel

  10. @Mel: Danke sehr. Und in diesem Zusammenhang noch ein Hinweis, den ich im Beitrag nicht erwähnt habe: Promis und Politiker erhalten regelmäßig ähnlich dämliche Drohungen – nur tauchen die dann nicht in der Bild auf, sondern werden im Stillen von den Behörden geklärt. Selbst wenn die Kritik an Ochsenknecht wegen seiner Beteiligung am Film idiotisch ist, dadurch, dass er bzw. sein Management das gezielt an die Bild weitergegeben haben, zeigt er, wes Geistes Kind er ist. Für ein bisschen Medienpräsenz nimmt er in Kauf, dass ein völlig verzerrtes Bild von der Bundeswehr als Ganzem gezeichnet wird. Genau deshalb muss ihm jemand das Angebot machen, echte Soldaten zu treffen. Nimmt er an, bietet das ein Forum, um auf die Leistungen der Soldaten hinzuweisen. Lehnt er ab, wird deutlich, dass er kein Interesse an diesen Leistungen hat, was wiederum seine Kritiker ins Recht setzt.

  11. Gibt es Belege dafür, dass Ochsenknecht tatsächlich von Soldaten bedroht wurde, oder hat er diesen Vorwurf einfach so in den Raum gestellt? Wenn sich jemand z.B. In einer E-Mail als Soldat ausgibt, ist dies ja noch kein Beleg dafür, dass es sich tatsächlich um einen Soldaten handelte. Falls es die Drohungen tatsächlich gegeben haben sollte, dürften die Ermittlungen dazu noch nicht abgeschlossen sein, so dass die Vorwürfe Ochsenknechts bestenfalls reine Spekulation und Vorverurteilung einer ganzen Berufsgruppe darstellen. Dafür verdient man keine Einladung der Bw, sondern eine scharfe Rüge und die Forderung einer öffentlichen Bitte um Entschuldigung, falls sich die Vorwürfe als haltlos herausstellen.

  12. Nun waren es also doch Soldaten, die sich entsprechend geäußert haben.

    http://www.bild.de/politik/inland/wilson-gonzalez-ochsenknecht/hat-die-bundeswehr-ein-facebook-problem-23628756.bild.html

    Allerdings halte ich es für vermessen, hier von „Morddrohungen“ zu sprechen bzw. eine tatsächliche Mordabsicht zu unterstellen. Hier haben sich junge Soldaten, die sich durch den Film verhöhnt fühlten, in typischer Jugendsprache auf für Soldaten unangemesse Weise geäußert. Bei Facebook ist so etwas leider normal, aber für deutsche Soldaten sollten höhere Standards gelten. Herr Ochenknecht ist zudem der falsche Addressat für Kritik und hat zudem überreagiert, in dem er das Thema direkt an Bild weitergegeben hat anstatt den Dialog zu suchen. Diejenigen, die die Soldaten mit ihrem fehlgeleiteten Film zu diesen Äußerungen provoziert haben, sollten sich fragen, ob sie nicht vielleicht etwas falsch gemacht haben. Hierzu wäre tatsächlich eine Diskussion mit einsatzerfahrenen Soldaten und eine Entschuldigung ihnen gegenüber durch die für den Film verantwortlichen angebracht.

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