Was ist Anerkennung?

Soldaten seien „geradezu süchtig“ nach Anerkennung hat Verteidigungsminister Thomas de Maizière den Redakteuren der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung in die Feder diktiert. Sowohl auf der Webseite der Zeitung als auch bei Thomas Wiegold haben die Äußerungen des Ministers teilweise heftige Reaktionen hervorgerufen.

Was auch immer den Minister bei dieser Aussage geritten haben mag, hilfreich ist sie kaum. Selbst wenn er damit Recht hätte, müsste man die Frage stellen, woher diese Sucht kommt, was die Soldaten damit kompensieren wollten. Was also ist Anerkennung? Was genau fehlt den Soldaten der Bundeswehr, nicht materiell sondern ideell?

Ich freue mich über Ihre und Eure Kommentare.

11 Gedanken zu „Was ist Anerkennung?

  1. Lieber Sascha,

    ich freue mich, dass Sie diese sehr konkrete Frage stellen. In den einschlägigen Diskussionen auf augengeradeaus.net (http://augengeradeaus.net/2013/02/manner-das-geht-schneller/) ging es – zumindest in den ersten 60 oder 70 Kommentaren – in erster Linie um die verschiedenen Formen des „Ob überhaupt“ und nicht um das „Wie“.

    Ich habe mir die Frage ebenfalls sofort gestellt: Was erwarten Soldaten? Soll ich mit gelbem Schleifchen am Revers oder Rucksack herumlaufen? Den Wochenendheimfahrern eine zusätzliches Bier im Bordrestaurant spendieren? Mir eine deutsche Variante vom „Thank you for your service“ ausdenken? Von wem wird die Anerkennung erwartet? Vom Heimatzeitungs-Kommentator? Vom SPIEGEL? Vom Parlament? Vom Sportvereinsvorsitzenden? Von mir?

    Vermutlich hängt die Anerkennung (in der breiteren Bevölkerung) in hohem Maße mit der wahrgenommenen Notwendigkeit der soldatischen Tätigkeiten zusammen. Die ist aber eher nicht so hoch: „Die Bundeswehr macht irgendwas in Afghanistan, Brunnen bauen oder so, und das ist mittlerweile auch wohl gefährlich, aber was das soll, weiß ich auch nicht.“ Das gilt vor allem im Vergleich mit Feuerwehrleuten und Polizisten, die immer wieder als Maßstab herangezogen werden (und offenbar in der Wahrnehmung der Soldaten ausreichend Anerkennung erfahren – vielleicht wäre das ein Ansatzpunkt für die Beantwortung der Ausgangsfrage).

    Womit das Ganze auf den Mangel einer konsistenten deutschen (oder europäischen?) Sicherheitspolitik herausläuft: wenn es grundsätzlich besser nachvollziehbar wäre, was Deutschland außen- und sicherheitspolitisch für Ziele hat, dann wäre auch klarer, welche Rolle Soldaten bei der Erreichung und Durchsetzung dieser Ziele spielen. Und das dürfte wiederum für mehr Anerkennung sorgen – in welcher Form auch immer.

  2. @Helge: Herzlichen Dank für die Impulse. Aber wenn wir erst eine konsistente deutsche Sicherheitspolitik brauchen, um das, was Soldaten leisten, anzuerkennen, dauert es noch lange. Allerdings weißt das meines Erachtens in die richtige Richtung, sprich der Politik. Das scheint mir plausibel: Den Dienstherren in die Pflicht zu nehmen, die Voraussetzungen zu schaffen, um der Öffentlichkeit ein klares Bild zu vermitteln, was die Bundeswehr leistet. Eine – von mir favorisierte Möglichkeit – in diesem Zusammenhang ist es, der militärischen Führung hier eine größere kommunikative Autonomie und damit einen direkten Draht zur Öffentlichkeit zuzusprechen.

  3. Also ich sehe diese Problematik eher darin das von den Soldaten immer mehr und längere Einsätze durchführen müssen.
    Somit wird die Belastung für Soldaten und ihre Familien immer höher und diese Tatsache wird von der breiten Bevölkerung nicht richtig wahrgenommen.
    Wenn dann durch fehlgeleitete Personalpolitik in der Truppe permanent der Nachwuchs ausbleibt, kann es nur noch zu Frust und entsprechender Unlust in der Bundeswehr kommen.
    Zudem ist der Soldat in der Heimat auch noch durch Standortschließungen und entsprechende Umzüge belastet. Zudem ist der gesamte Apparat Bundeswehr bedingt durch die Reform viel zu kopflastig und die Kameraden stecken durch die Bank im Beförderungsstau fest und warten auf die Einweisungen.

  4. @Helge Wilker

    Anerkennung wäre bereits, wenn sich der Dienstherr an die Versprechen halten würde, die Soldaten im Rahmen des Dienstes auch so zu qualifizieren, dass sie hinterher gut ins Zivilleben übergehen.

    Symbolik und Schulterklopfen braucht es weniger. Aber einen Lebenslauf, der nicht kritisch beäugt wird.

    Leider wird schon vor Beginn des Dienstes das Blaue vom Himmel versprochen – was dann hinterher durch Vorschriften und Sparmaßnahmen nicht gewährt wird.

    Solche Fälle sammele ich – ich weiß, es gibt mehr, als nur meinen eigenen:
    https://www.facebook.com/pages/WirDientenDeutschland/209595742509997

    Nicht zuletzt muss sich der Dienstherr gefallen lassen, dass eine Einsatzmedaille und gezahlter Auslandsverwendungszuschlag nicht ausreichen, wenn steigende Einsatzdauer und -Häufigkeit den privaten Bereich des Soldaten belasten.

    2 Jahre hintereinander prangert der Wehrbeauftragten-Bericht dieses Manko an – aber welche Maßnahmen kommuniziert der Minister, um daran etwas zu ändern?

    Die Momentan laufenden Berichte signalisieren vor allen Dingen eines: der Dienstherr begegnet seinen Soldaten nicht auf Augenhöhe. Und das verstößt gegen ehemals geachtet Prinzipien, wie Auftragstaktik und den Staatsbürger in Uniform.

    Der Minister sendet fatale Zeichen an potentielle Bewerber und natürlich in die Truppe. Eine Facebook-Nutzerin fasste es plakativ zusammen:

    „Früher nannte man solch ein Verhalten Wehrkraftzersetzung!“

    Es geht nicht um Jammern – aber wer Treue verlangt, muss auch Fürsorge gewährleisten. Findet in meinen Augen nicht mehr statt.

  5. Einige kurze Anmerkungen zu den Fragen.

    – woher diese Sucht kommt: Millenials (und die kurz vorher Geborenen) sind mit Lob groß geworden und stellen Ansprüche an die Welt/Arbeitgeber; Wertschätzung ist inzwischen bei Umfragen unter junge Erwachsenen das wichtigste Kriterium für Arbeitnehmerzufriedenheit (wichtiger als Gehalt, sogar wichtiger als Weiterbildung)

    – was die Soldaten damit kompensieren wollten: gar nichts, gelobt zu werden ist inzwischen ein Grundrecht geworden; man stellt (angeblich) hohe Ansprüche an sich und (definitiv) noch höhere an Andere

    – Was also ist Anerkennung? Wertschätzung/Lob für ganz alltägliche Leistungen

    – Was genau fehlt den Soldaten der Bundeswehr, nicht materiell sondern ideell? Das Wissen darum, dass man sich Anerkennung/Respekt/Wertschätzung durch überdurchschnittliche Ergebnisse verdienen muss und die Fähigkeit, die eigene Leistung realistisch einzuschätzen (was immer ein Manko junger Menschen war, aber in diesem Zusammenhang wichtiger wird) und dadurch der Anspruch an sich selbst

    Bsp. dazu: In Niedersachsen wird diskutiert, ob das Abi ein Grundrecht sein sollte (kein Scherz) – und meine Studis haben mich letztes Semester gebeten, dass ich ihre Kommilitonen nicht öffentlich loben soll (da haben 2 Leute ausnahmsweise schlaue Fragen gestellt), weil sie sich dadurch zurückgesetzt fühlen, ich solle besser alle loben (auch die die nix gesagt haben).

  6. @Peter

    Kann ich aus der Sicht eines Studenten, der unter den „Millenials“ sitzt absolut nachvollziehen. Meine Sicht darauf: „Leistung lohn sich nicht mehr und Kritik ist nicht erwünscht!“.

    Die ideelle Anerkennung würde es nur erleichtern, die Arbeitsbedingungen auszuhalten.
    Angehörige bekommen Kommentare, wie

    „Ihr kriegt doch Geld dafür – meckert nicht.“
    „Was hast du denn, wenn er tot aus dem Einsatz kommt zahlt die Bundeswehr doch die Beerdigung!“

    Mir selbst wurde gesagt (von einem Millenial)

    „Warum sollte ein Soldat, der im Einsatzgefecht sein Gehör auf einem Ohr verloren hat denn lebenslang eine Beschädigtenrente bekommen? Er hat doch Geld für den Einsatz bekommen.“

    Mit den Millenials ist es nicht weit her, wenn es um andere oder Aspekte der Solidarität geht – außer in eigener Sache machen sie sich für nichts stark.

  7. Mangelnde Anerkennung habe ich persönlich dann wahrgenommen, wenn die Parteien, die einen in den Einsatz geschickt haben, einem Fehlverhalten vorwarfen, wenn man dort das tat, was sie einem befohlen hatten. Vielleicht ist das eigentliche Problem aber nicht mangelnde Anerkennung, sondern dass diese Parteien bzw. ihre Abgeordneten nicht wussten, was sie taten, als sie für den Einsatz stimmten.

  8. Es ist der Widerspruch zwischen politischer Unentschlossenheit, bündnissolidarischen Verpflichtungen und einer pazifistischen Gesellschaft, der sich zu einem dichten Spannungsgeflecht entwickelt, das mit dem Selbstverständnis von Soldaten kaum in Einklang zu bringen ist.

    Die unentschlossene Politik deutscher Regierungen schwankt zwischen der Teilnahme an nicht UN-legitimierten Kriegen(Kosovo-Krieg1998/99) und der deutschen Stimmenthaltung bei der UN-Abstimmung im Vorfeld des durch die UN legitimierten Libyen-Krieges. Diese außen-und sicherheitspolitische Orientierungslosigkeit hat vielfältige negative Auswirkungen.

    Deutschlands Einbettung in das transatlantische Bündnis hat Stabilität und Wohlstand gebracht. Wir können von unseren Bündnispartnern nicht erwarten, dass sie weiter für unsere Sicherheit eintreten, während wir uns auf pazifistische Grundpositionen zurückziehen und „Prinzipienlosigkeit zum Prinzip“ (FAZ 24.10.1011) erheben.

    Damit sind wir bei der pazifistisch verwurzelten Gesellschaft Deutschlands. Sie wendet sich zunehmend gegen kriegerische Gewalt und akzeptiert selbst UN-legitimierte Interventionen kaum noch. Aber gerade die „neuen Kriege“ sind nach Ende der Bipolarität zurückgekehrt. Sie bedrohen uns und wir können uns diesen regionalen Konflikten immer weniger entziehen.

    In diesem Spannungsfeld zwischen unentschlossener Politik, bündnissolidarischer Verpflichtungen und pazifistischer Gesellschaft steht der Soldat. Er soll einen Auftrag erfüllen, der ihm von unentschlossenen Politikern und Parlamentariern erteilt und der von der pazifistischen Gesellschaft nicht akzeptiert wird.

    Um die daraus erwachsenen Spannungen geht es. Nicht um vordergründige „Gier nach Anerkennung“. Wenn Soldaten ihr Leben einsetzen, um politische Ziele zu erreichen, dann brauchen sie einen Rückhalt, aus dem sie Kraft schöpfen können. Dies umso mehr, wenn der politische Auftrag mit all seinen Konsequenzen kriegerischer Gewalt von der Gesellschaft abgelehnt wird.

    Es geht dabei nicht mehr um den „geborenen Vaterlandsverteidiger“, zumal die Wehrpflicht ja ausgesetzt ist, sondern um einen „Krieger“, der diese Widersprüche aushält, sein Selbstverständnis aus soldatischen Tugenden ableitet und sein Handeln an den Normen des Rechtsstaates ausrichtet. Nicht mehr der Staatsbürger in Uniform, sondern der Staatsbürger unter Waffen ist gefragt.

    Eine breit angelegte Aufgabe für die Innere Führung der Bundeswehr. Man verweigert sich dieser Aufgabe, weil man die politischen Debatten fürchtet, wenn es darum geht, sich klar zu positionieren. Darum geht es im Kern und nicht um die „Gier nach Anerkennung“.

  9. Das Ansehen der BW in der Bevölkerung ist miserabel. Motto: Wer zu blöd ist einen anständigen Beruf zu erlernen geht zum Bund. Muss er/sie ja nicht. Selbst schuld wenn sie im Einsatz ums Leben kommen, hat sie keiner gezwungen. So oder ähnlich hören sich Argumente aus der Bevölkerung an. Gehen sie mal in Berlin in Uniform durch die Strassen, viel Spass!

  10. Ich kann den Minister gut verstehen.
    Was für eine Jammerlappen-Truppe ist das eigentlich diese Bundeswehr (?), frage ich mich regelmässig bei der Betrachtung der diesbezüglichen News.

    Jetzt sind die Toiletten in der türkischen Kaserne angeblich zu dreckig für unsere Bundis, wie Herr Königshaus kritisierte.
    Da gibt es eine Lösung: Man nehme einen Putzlumpen zur Hand und reinige sie !
    Ist das zuviel verlangt von einem deutschen Soldaten ?

    Zur info:
    Die BW-Soldaten in der Tükei logieren -nach wie vor- auf Kosten der Steuerzahler in Hotels, weil ihnen die Unterbringung in einer türkische Kaserne „nicht zumutbar“ sei.
    Was ist das für eine Lachnummer !

    Ich vermute eher die mittlerweile salonfähige Anti-türkische Ideologie als Motiv des Herrn Königshaus.

    Der Beruf Soldat zu dem man sich im Einzelfall entschieden hat, ist eben kein Zuckerschlecken !

    Wie damals in Somalia (ein Land in Afrika) wo die Bundis das Trinkwasser der Bevölkerung durch übermässiges Duschen verschmutzten, machen sich die „Pauschalurlauber“ der Bundeswehr so keine Freunde im Ausland.
    In Somalia hat man, nachdem das Trinkwasser verbraucht war und es keine Gewinne mehr zu sichern gab, das Land einfach dem Chaos der Paramilitärs überlassen und sich -wie immer wenn es Ernst wird- vom Acker gemacht.

    Wenn ich vom Ansehen der BW spreche, muss ich auch nach Afghanistan schauen wo die BW sowohl durch die Beteiligung an Massakern (wie dem unaufgeklärten Kunduz-Masssaker), Schickane der Zivilbevölkerung, Leichenschändung und dergleichen auf sich aufmerksam macht.
    So wird Terrorismus nicht verhindert sondern regelrecht provoziert.
    Verantwortliche für das Kunduz Massaker wurden gar befördert.
    Auch das wird ebenfalls im Ausland zur Kenntnis genommen.

    Ich glaube das schlechte Image der BW hat man sich selbst eingebrockt. Man will der Realität aus ideologischen Gründen eben nicht ins Auge sehen und macht sich lieber weiter was vor. Sowohl in der Politik als auch in der BW.

    Festzustellen bleibt, dass der zuständige Minister offensichtlich überfordert ist und seinen „Laden nicht im Griff“ hat.

    Zu seiner Entschuldigung: Damit steht er nicht alleine da. In den Bereichen Innere Sicherheit, Verbraucherschutz, Verfassungsschutz, Bildung, Familie, Kinder, etc. sieht es ja leider genau so bescheiden aus.
    Jetzt fehlt nur noch das diese Themen von der Kanzlerin zur „Chefsache“ erklärt werden. Wir wissen ja was das dann bedeutet. 🙁

  11. Anerkennung, Wertschätzung, Respekt sind Futter für die Seele eines jeden Menschen. Jeder braucht das. Nur wenigen reicht noch die alte Klosterfraunmotivation „dein Lohn ist, dass du dienen darfst“. Und das schwäbische Mantra „net gschimpft is scho gnug gelobt“ ist das Gegenteil von Positivmotivation. Ist man ein Jammerlappen, wenn man dieses menschliche Grundbedürfnis artikuliert?
    Soldaten sind Menschen und keine Kampfroboter, die so hart sind, dass man ihnen diese Grundbedürfnisse absprechen darf. Dass sie sich überhaupt mit ihrem Leben für die Ziele unsere Demokratie hergeben, verdient in unserer vom Indidualismuswahn geprägten Egokultur große Anerkennung, genauso wie alle anderen meist schlecht bezahlten Einsatzkräfte von Polizei, Feuerwehr, Thw usw. auch. Wir brauchen mehr Menschen, die sich für unseren Staat einsetzen nicht weniger. Wenn wir aber denen, die es bereits jetzt tun Lob und öffentliche Anerkennung verweigern, so beschädigen wir auch die Ideale unseres Gemeinwesens.

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